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en, von der Autorin »gewollte« Kreaturen, die vielmehr gewonnen hätte, wenn<br />

sie diese hätte auf sich wirken lassen.<br />

Claude de Fréminville teilt diesen Standpunkt in Bezug auf »Unnütze Mäuler«,<br />

wenn er bedauert, dass die Figuren Schlüssel-Ideen herunterleiern, die der Dramaturgin<br />

teuer sind, die sie aber nicht fühlen, da diese nicht aus den Abenteuern resultieren,<br />

in die sie geworfen sind. Feindselig gegenüber dem, was er als »Inbesitznahme<br />

des französischen intellektuellen Lebens durch die existenzialistische<br />

Schule« ansieht, wünscht er sich, Simone de Beauvoir »wüsste sich einzig als die<br />

wunderbare Romanautorin, die sie ist.« 15<br />

Die literarischen Zeitschriften zeugen von heftigen, die literarische Welt erschütternden<br />

Reaktionen auf das, was einige bereits als »die Art der Inbesitznahme<br />

fast aller Branchen der Literatur durch die Philosophen« bezeichnen. 16<br />

»Doch bei allem – vielleicht ist es nicht schlecht, dass die Philosophie die Sorbonne<br />

verlässt«, äußert sich Paul Chaulot in »La Gazette des Lettres«, während<br />

sein Kollege der »Sartreschen existenzialistischen Schule« das Verdienst zuerkennt,<br />

dem Laien den Zugang zur Philosophie ȟber die nicht ganz so schroffen<br />

Wege der Literatur« zu verschaffen.<br />

Obwohl er ein »wahrhaftes Vergnügen daran gefunden [habe], mit lauter Stimme<br />

kurze Paragraphen zu lesen, die der der Autorin so teuren existenziellen Phänomenologie<br />

entstammen«, wirft Maurice Saillet der Philosophin doch heftig vor,<br />

dieses Verfahren gewählt zu haben. 17 »In seinen Werken Elemente von Philosophie<br />

heimisch machen oder banalisieren zu wollen« ist, ihm zufolge, »stets ein Irrtum,<br />

ja eine Schwäche.« Für Gaétan Picon, der »Das Blut der anderen« analysiert, steht<br />

der Roman sicher »in direkter Verbindung zum Sartreschen Existenzialismus«,<br />

aber er sieht hier, zusätzlich noch, eine »Demonstration des existenzialistischen<br />

Romans großen Stils«, der, wie die Romane Sartres, vor allem die Freiheit preist. 18<br />

Ob sie nun diese Einmischung der Philosophie in den Roman schätzen oder<br />

nicht, so unterstellen doch viele, dass diese Anleihen an die existenzialistische<br />

Philosophie nur dazu da sind, die Sartre so teuren Thesen zu illustrieren, wie er sie<br />

in »Das Sein und das Nichts« entwickelt hatte, wobei sie vergessen, dass die Dramaturgin<br />

selbst eine ganze Philosophin ist, was in mehreren Kritiken von »Pyrrhus<br />

und Cineas« ein Jahr zuvor bereits anerkannt worden war.<br />

Der in den 1940er Jahren gegen Simone de Beauvoir und den metaphysischen<br />

Roman angestrengte Prozess zielt direkt ab auf die ihn beherrschende Ideologie,<br />

den Existenzialismus Jean-Paul Sartres, zu dessen Sprachrohr sich die junge<br />

Romanautorin gemacht habe. In der Tat: Hinter den Besprechungen von »Sie kam<br />

und blieb«, »Das Blut der anderen« und »Unnütze Mäuler« und der Romane von<br />

Sartre atmet der Skandal, der den Existenzialismus belebt wie die engagierte Lite-<br />

15 Notes sur trois Œuvres de Simone de Beauvoir. In: Renaissances n° 17, décembre 1945, S. 47-49.<br />

16 Michel Lombard: La littérature aux mains des philosophes. In: Accords, 15.2.1946.<br />

17 Terre des hommes, 6 octobre 1945.<br />

18 A propos du Sang des autres, juin-décembre 1945.<br />

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