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Eine untergeordnete Stellung<br />

Wenn die »Lage der Sekretärin« von exemplarischer Bedeutung ist, so vor allem<br />

deshalb, weil, stark feminisiert (98 Prozent), die Sekretariatsberufe in Frankreich<br />

ungefähr 10 Prozent der aktiven weiblichen Bevölkerung auf sich vereinen. Zudem<br />

handelt es sich, vom Standpunkt der Vorstellungen her, um einen extrem typisierten<br />

»weiblichen Beruf«. Die Attribute der Sekretärin sind dieselben, die die sozial<br />

dominanten Vorstellungen »der Frau« zuschreiben. In der Tat bedingen die sogenannten<br />

»weiblichen«, zugleich technischen und ethischen Qualitäten den Zugang<br />

von Frauen zur Arbeitswelt wie die Sicherheit ihres Postens. Die Kompetenz der<br />

Sekretärin wird sozial durch das Dienen im Sinne der Aufopferung definiert. »Es<br />

ist klar«, meint eine von ihnen, »die Zeit des Chefs kostet viel mehr als meine,<br />

Rentabilität verpflichtet.« Von der Sekretärin, die ihre Funktion erfüllt, erwartet<br />

man v. a., dass sie lächelt, nett und zurückhaltend ist. »Ich finde, die Sekretärin hat<br />

eine Rolle zu spielen, die gute Seite der weiblichen Rolle, das heißt sie muss sanft,<br />

muss feminin sein. Es ist angenehmer, durch eine Frau statt durch einen Mann<br />

empfangen zu werden, ein Lächeln macht vieles möglich«, so die junge Sekretärin<br />

des Generaldirektors eines multinationalen Informatikunternehmens.<br />

Das Handeln der Sekretärin ist dem Prinzip permanenter Heteronomie unterworfen.<br />

Disponibel ist sie jederzeit bereit, ihr Handeln zu unterbrechen, um einer<br />

neuen Anweisung Folge zu leisten: »Man macht nie erst das, dann das und dann<br />

das, denn oftmals arbeitet man, und dann gibt’s andere Dinge zu tun«, stellt die<br />

Sekretärin einer Abteilung des CNRS fest. Sie ist bereit, ihren Arbeitstag zu verlängern:<br />

»Es ist nicht so, dass man Ihnen morgens eine Arbeit gibt, die Sie abends<br />

abgeben; Sie müssen immer da sein«, schließt mit bitterem Ton die Sekretärin eines<br />

Architekturbüros. Eine »Alte«, Inhaberin eines hohen Postens in der SNCF,<br />

rät jungen Sekretärinnen, »die abends nicht länger bleiben wollen und auf ihrer<br />

Mittagspause bestehen«, den Beruf zu wechseln. Die Vertreterin einer Agentur für<br />

die Rekrutierung von Sekretärinnen, deren proklamiertes Ziel darin besteht, das<br />

»ideale Paar Chef – Sekretärin« zu finden, fasst diese Situation der Abhängigkeit<br />

auf bestimmte Weise zusammen: »Die Hauptanforderung an die Sekretärin besteht<br />

darin, sich an den Posten und vor allem an den Chef anzupassen, denn weder<br />

auf der HEC noch auf der Polytechnique bringt man den Chefs bei, was eine Sekretärin<br />

ist.«<br />

Ihre Disponibilität manifestiert sich zudem in der Erfüllung jeglicher Art kleiner<br />

Aufgaben, die über die unmittelbaren Verpflichtungen des Berufs hinausgehen. Einige<br />

bekennen spontan: »Der Aspekt der Gastgeberin – das ist die interessante Seite<br />

des Sekretariats«, oder auch: »Sie spielen die Rolle der Dame des Hauses, nicht der<br />

Dienerin, Sie machen nicht den Eindruck zu arbeiten – und es läuft!«<br />

Dank einer für ihren Posten unabdingbaren »Intuition« weiß sie, die Dringlichkeit<br />

von Arbeitsaufgaben zu erraten, vorherzusehen und gegeneinander abzuwägen,<br />

ohne indes mit ihrem Status unvereinbare Initiativen zu unternehmen. Der<br />

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