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Die umfassende Analyse der Herrschaftsbeziehungen, die Beauvoir vornimmt,<br />

klingt somit aus in einer großen Utopie von einer Gesellschaft der selbst erkämpften<br />

Freiheit der Frauen, der Geschlechtergleichheit trotz nach wie vor vorhandener<br />

biologischer Unterschiede und der Brüderlichkeit bzw. Geschwisterlichkeit<br />

sowie, wäre hinzuzufügen, der umfassenden Gerechtigkeit, insofern die mit der<br />

Dominanz der Männer verbundenen Ungerechtigkeiten gegenüber den Frauen<br />

aufgehoben sind.<br />

Und dies nicht zufällig. Denn Beauvoir ist, schon auf der Basis ihrer existenzialistischen<br />

Ethik, ausgesprochen zukunftsorientiert. Sie entwirft ein optimistisches<br />

Zukunftsbild, das die Frauen dazu auffordert, endlich ihr Schicksal in die eigenen<br />

Hände zu nehmen und ihre Zukunft selbst zu gestalten. Das hat Beauvoir<br />

selbst gelebt und vorgelebt. 6<br />

So heißt es schon in der Einleitung zum ersten Band von »Das andere Geschlecht«:<br />

»Unsere Perspektive ist die der existentialistischen Ethik. Jedes Subjekt<br />

setzt sich durch Entwürfe konkret als eine Transzendenz. Es verwirklicht seine<br />

Freiheit nur durch deren ständiges Überschreiten auf andere Freiheiten hin.« (Das<br />

andere Geschlecht, Neuausgabe 2000, S. 25) Und gegen Ende des zweiten Bandes<br />

schreibt Beauvoir: »Ich wiederhole: um ihre Grenzen zu erklären, muss man ihre<br />

Situation anführen, nicht irgendein geheimnisvolles Wesen. Die Zukunft steht<br />

weit offen […]. Fest steht nur, dass die Möglichkeiten der Frau bisher erstickt<br />

wurden, dass sie der Menschheit verlorengegangen sind und dass es in ihrem eigenen<br />

Interesse wie auch im Interesse aller höchste Zeit ist, sie ihre Fähigkeiten<br />

endlich ausschöpfen zu lassen« (ebenda, S. 881).<br />

Etienne de la Boétie: Verborgene Quelle des Beauvoirschen Denkens?<br />

Bei der Analyse von Phänomenen der Macht, Herrschaft und Gewalt spielt Simone<br />

de Beauvoir auf der gesamten Klaviatur der europäischen Geistesgeschichte:<br />

Sie nutzt Vorgaben von Aristoteles (etwa die Differenz von oikos und<br />

polis), von Hegel (die Dialektik von Herrschaft und Knechtschaft); unverkennbar<br />

ist der Einfluss Heideggers, der ihr über die Kommunikation mit Sartre nahe ist,<br />

um nur einige Geistesgrößen zu benennen. Auch auf Montaigne bezieht sie sich,<br />

den sie ja des öfteren als ihren Lieblingsautoren bezeichnet, und der in seinen<br />

»Essais« mehrfach von der »Macht der Gewohnheit« als der »höchsten Macht auf<br />

6 In ihrer umfangreichen, 2008 erschienenen Biographie zu Simone de Beauvoir greift Danièle Sallenave nicht<br />

umsonst auf deren Spitz- bzw. Kosenamen »Castor« zurück: »Castor de guerre«, zu dt. »Kriegscastor« bzw.<br />

»Kriegsbiber« – unter diesem zunächst etwas befremdlich wirkenden Titel (zumal »Castor« im Deutschen heutzutage<br />

mit den Castortransporten assoziiert wird) entwirft Sallenave das Bild einer Frau, die sich im permanenten<br />

Kampf, ja Krieg befindet: gegen jegliche Form der Unterdrückung, gegen die Zeit, gegen die Kontingenz, gegen<br />

sich selbst. Danach nimmt Beauvoir ihr Schicksal in die eigenen Hände, statt es fremden zu überlassen – seien<br />

diese göttlicher oder anderer Natur. Vgl. Danièle Sallenave: Castor de guerre. Paris 2008.<br />

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