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Chef eines Provinzunternehmens gestand mir mit Genugtuung: »Sie führt meine<br />

Anweisungen aus, bevor ich sie ihr gebe!«<br />

Eine als typisch »weiblich« bezeichnete Form der Macht<br />

Gerade weil die Sekretärin durch ihre Fügsamkeit dazu neigt, unersetzlich zu werden,<br />

hängt der Chef bei der praktischen Erfüllung der Mehrzahl seiner Aufgaben<br />

von ihr ab. Das ist zu beobachten, wenn es darum geht, schnell ein vollständiges<br />

Dossier zu erstellen, technische Informationen zu sammeln oder, auf einer subtileren<br />

Ebene, die Machtverhältnisse in der Organisation einzuschätzen. Einige Chefs<br />

bekennen: »Wenn meine Sekretärin krank ist, kann ich nicht arbeiten.« Eine Sekretärin<br />

betont mit Genugtuung, dass die neuen Technologien ihre Macht verstärken:<br />

»Ich bediene mich der Hardware, und der Chef wird als unfähig betrachtet,<br />

damit umzugehen.«<br />

Noch deutlicher zeigt sich die Macht der Sekretärin im Verhältnis zu bestimmten<br />

Gesprächspartnern, seien dies Mitarbeiter oder Kunden: Sie kontrolliert den<br />

Zugang zum Chef und filtert die Informationen. Eine Sekretärin betont mit Nachdruck:<br />

»Alles läuft über mich; er akzeptiert keine Verabredung, die ich nicht vermittelt<br />

habe.« Gegebenenfalls übt die Chefsekretärin Macht über andere Frauen<br />

aus: Schreibkräfte, die von ihr abhängig sind und eher Routineaufgaben erfüllen.<br />

Die Nähe zu den Inhabern der Macht verleiht ihr bestimmte symbolische Vorteile,<br />

angefangen von Vertraulichkeiten und »strategischen« Informationen. Die<br />

vorerwähnte Rekrutierungsagentur ermuntert so ihre Kandidatinnen: »Sie ziehen<br />

Vorteile aus dem Ansehen ihres Chefs und Sie entwickeln sich in einem wohl bestellten<br />

sozialen Milieu.« Nuancierter bekennt eine Sekretärin: »Wissen Sie, von<br />

Zeit zu Zeit tun die Chefs endlich auch uns etwas Gutes an, aber nicht allzu oft.«<br />

Schließlich bietet die Personalisierung (im Sinne Max Webers) der Beziehung zwischen<br />

Chef und Sekretärin derselben die Möglichkeit, Widerstand zu leisten, indem<br />

sie »einen auf Trägheit macht« (nicht verstehen, diese oder jene Sache liegen lassen,<br />

etwas übermäßig in die Länge ziehen, etc.). Obzwar an ein bürokratisches Universum<br />

gebunden, schreibt sich die Definition des Sekretärinnenpostens nicht nur in<br />

die Logik der bürokratischen Beziehungen ein: Die Sekretärin ist keine Untergeordnete<br />

im Rahmen eines homogen strukturierten Organigramms, sie entstammt vielmehr,<br />

um mit Weber zu sprechen, dem Universum patrimonialer Kategorien, die die<br />

persönliche Qualifikation des Herrn und die ebenso persönlichen Fähigkeiten der<br />

Untergeordneten implizieren. Diese Kategorien werden hier übersetzt und verdoppelt<br />

durch die Kategorien des Männlichen und des Weiblichen.<br />

Indes kann diese als typisch »weiblich« gekennzeichnete Macht nur unter der<br />

Bedingung wirken, dass offener Konflikt vermieden wird. In der Logik einer<br />

durch persönliche Beziehungen und nicht als objektive Kategorie definierten<br />

Identität ist nachvollziehbar, dass der Grad der gewerkschaftlichen Organisiert-<br />

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