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en in der Studienzeit feststellen. Für sie wie für Sartre waren Literatur und Philosophie<br />

keine Gegensätze. Alle ihre Werke beruhen auch auf einer – impliziten –<br />

Philosophie. 71 Sartre seinerseits schrieb literarische Werke mit philosophischem<br />

Hintergrund und entwickelte andererseits eine Philosophie, die, ähnlich wie die<br />

Literatur, auch das Alltagsleben thematisierte. 72<br />

Schließlich muss man wohl auch Beauvoirs Aussage über unterschiedliche Begabungen<br />

ernst nehmen. Ingrid Galster zitiert in diesem Zusammenhang eine Antwort<br />

der Autorin auf eine entsprechende Frage von Francis Jeanson: »Hätte ich,<br />

um meine Rechte Sartre gegenüber aufrechtzuerhalten, mir zu beweisen versuchen<br />

müssen, dass ich auch die ›Kritik der dialektischen Vernunft‹ schreiben<br />

könnte? Das ist es nicht, was ich seit meiner Jugend machen wollte, das ist es<br />

nicht, wozu ich fähig war, und es hat mich keineswegs daran gehindert, mich völlig<br />

autonom zu fühlen, sowohl intellektuell als auch als Schriftstellerin.« 73 In »La<br />

Force de l’âge« hatte sie geschrieben, dass sie eine sehr große Assimilationsfähigkeit<br />

hatte und sich leicht in ein anderes Denken versetzen konnte. Sie wusste<br />

auch, »dass die Mühelosigkeit, mit der ich in einen Text eindrang, auf meinen<br />

Mangel an produktiver Phantasie zurückging. Auf diesem Gebiet sind die wirklich<br />

schöpferischen Geister so selten, dass die Frage müßig ist, warum ich nicht<br />

versuchte, mich unter sie zu reihen. Man sollte vielmehr ergründen, was gewisse<br />

Individuen befähigt, dieses planvolle Delirium, aus dem ein System besteht,<br />

durchzuhalten [...]. Ich wollte mitteilen, was an meiner Erfahrung original war.<br />

Ich wusste, das konnte nur gelingen, wenn ich mich der Literatur zuwandte.« 74<br />

Als eine Art Beleg, dass Beauvoir in einem gewissen Sinne ein »Opfer« des<br />

damaligen Hochschulsystems wurde, wird auch ihr zweiter Rang bei der agrégation<br />

angeführt. Sartre figurierte im ersten Rang, die um mehr als zwei Jahre jüngere<br />

Simone im zweiten. Maurice de Gandillac, der die agrégation im selben Jahr<br />

schaffte, schien die eben genannte These zu bestätigen, als er gegenüber der Sartre-Biographin<br />

Cohen-Solal meinte: »Denn obwohl Sartre offenkundige Qualitäten,<br />

eine ausgeprägte Intelligenz und Bildung hatte, die allerdings manchmal ungenau<br />

blieb, waren sich alle einig, dass von den beiden sie DIE Philosophie war<br />

[LA philosophie, c’était elle].« 75 In seinem Gespräch mit Ingrid Galster nuancierte<br />

de Gandillac allerdings diese Aussage wieder: »le jury a hésité pour savoir qui<br />

était le premier, lui ou elle. Ils auraient pu les mettre ex aequo [...] Simone les impressionnait<br />

par sa jeunesse; on admirait sa puissance de réflexion, mais ils ont<br />

71 Siehe dazu Michèle Le Doeuff: L’étude et le rouet, S. 156, sowie Michel Kail: Simone de Beauvoir philosophe.<br />

Paris, P.U.F., 2003.<br />

72 Zu dieser Ambition Sartres als »totaler Intellektueller« siehe vor allem Anna Boschetti: Sartre et »Les Temps<br />

Modernes«. Une entreprise intellectuelle. Paris, Les Editions de Minuit, 1985 so wie Alain Flajoliet: La première<br />

philosophie de Sartre. Paris, Champion, 2008.<br />

73 Zitiert in: Ingrid Galster: Genese, Theorie und Praxis des Engagements bei Sartre und Beauvoir. In: Das Argument,<br />

Nr. 275, 2008, S. 230.<br />

74 Simone de Beauvoir: In den besten Jahren. Reinbek, Rowohlt, 2004, S. 190.<br />

75 Zitiert bei Toril Moi: Simone de Beauvoir, S. 65.<br />

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