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mittlerem Bildungsabschluss. In Griechenland und Spanien ist die Arbeitslosenrate<br />
bei Frauen mit höherem Bildungsabschluss höher als die der Männer überhaupt.<br />
In den letztgenannten Ländern ist das Paradox auf seine Spitze getrieben:<br />
Die Arbeitslosenrate von Frauen mit Hochschuldiplom war Ende der 1990er Jahre<br />
genauso hoch wie diejenige der analphabetischen Männer! 15 Die Vorstellung, das<br />
Bildungsniveau schütze vor Arbeitslosigkeit, leidet, wie man sieht, unter Ausnahmen,<br />
die perplex machen – und die die Theorie vom Humankapital ernsthaft in<br />
Frage stellen: Kann man immer noch die Ansicht aufrechterhalten, dass der ungleiche<br />
Zugang der Männer und Frauen mit der geringeren Investition der letzteren<br />
in Humankapital zusammenhängt?<br />
Die Analyse der Arbeitslosigkeit nach Berufskategorien hingegen wartet nicht<br />
mit vielen Überraschungen auf: In ganz Europa sind die Arbeiter besonders von<br />
Arbeitslosigkeit betroffen, in erster Linie zumeist die Frauen. Offensichtlich addieren<br />
sich die Ungleichheiten nicht, sie vervielfältigen sich und kumulieren.<br />
Die Frauen sind, seit mehreren Jahrzehnten und in ganz Europa, das aktive Element<br />
bei der Umgestaltung der berufstätigen Bevölkerung: Das Wachstum der weiblichen<br />
Beschäftigung hat die Erneuerung der europäischen Arbeitskräfte gestattet.<br />
Des weiteren ist klar, dass die die Arbeit und Beschäftigung der Frauen betreffenden<br />
Veränderungen nicht nur ihre beruflichen Positionen berühren. Bei der Verweiblichung<br />
der Arbeitswelt geht es um den Status des »anderen Geschlechts« in<br />
der Gesellschaft. Das Faktum, dass die Frauen nunmehr fast die Hälfte der Arbeitskräfte<br />
bilden, ist ein bedeutender sozialer Wandel. Aber die Frage der Ungleichheiten<br />
zwischen den Geschlechtern, zwischen ihrem neuen Habitus und den Überbleibseln<br />
von vormals, bleibt bestehen. Auf beruflichem Gebiet erleben wir eine Periode<br />
voll von Kontrasten und Widersprüchen, von offensichtlichen Fortschritten und<br />
erstaunlichen Rückschritten, von dauerhaftem Voranschreiten und anhaltenden<br />
Stagnationen. Simple Feststellungen sind hier in der Tat nicht angebracht. Erkenntnisfortschritt<br />
ist nur möglich, wenn man sich die Zeit nimmt, bei den Fakten und<br />
Zahlen aufzuräumen, aber auch bei den Begriffen, die man benutzt.<br />
Man kann mit Recht sagen, alles habe sich verändert. Nicht ohne Recht kann<br />
man behaupten, nichts habe sich gerührt. Besser wäre es zweifelsohne, nicht zu<br />
trennen und das Zusammentreffen einer wesentlichen gesellschaftlichen Mutation<br />
und der Permanenz zählebiger Ungleichheiten, die Koexistenz einer Quasi-<br />
Gleichstellung mit einer Abwesenheit von Gleichheit zu signalisieren. Aber vielleicht<br />
muss man ebenso sehr bedenken, dass sich jegliches Voranschreiten nicht<br />
bloß in Termini von Gleichstellung, Gleichheit oder Gemischtheit bemisst. Genauer<br />
genommen bewegt sich der Platz der Frauen in der Gesellschaft »zwischen<br />
Freiheit und Gleichheit«. 16<br />
15 T. Torns: Chômage et tolérance sociale à l’exclusion: le cas de l’Espagne. In: M. Maruani (Hrsg.): Les nouvelles<br />
frontières de l’inégalité. Hommes et femmes sur le marché du travail. Paris 1998.<br />
16 G. Fraisse: Entre liberté et égalité. In: EPHESIA (Hrsg.): La place des femmes. Les enjeux de l’identité et de<br />
l’égalité au regard des sciences sociales. Paris 1995.<br />
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