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Alter in der (französischen) Gesellschaft der 1960er Jahre. Dem vorangestellt sind<br />

eine programmatische Einleitung und ein kurzes Vorwort. Im zweiten Teil, unter<br />

dem Titel »Das In-der-Welt-Sein« (»L’être-dans le monde« – im »Anderen Geschlecht«:<br />

»Gelebte Erfahrung«), werden die gelebten Erfahrungen alter Menschen<br />

beschrieben und zitiert. Das Subjekt, so Beauvoir in einem kleinen einleitenden<br />

Passus zum 2. Teil (DA, S. 239), vollzieht seine Situation innerlich und reagiert<br />

darauf körperlich und psychisch. Zu Wort kommen in diesem Teil Künstler,<br />

Schriftsteller, Philosophen, Intellektuelle, wenig Frauen – das fällt auf –, und sozial<br />

sehr privilegierte Menschen mit ihren Aussagen zu Zeit, Erinnerung, körperlichem<br />

»Verfall«. Sie kommentiert die subjektiven <strong>Dokument</strong>e und ordnet sie nach:<br />

Entdeckung und Bewältigung des Alters,<br />

körperlich erlebte Erfahrung,<br />

Zeit – Aktivität – Geschichte (dem Schlüsselteil),<br />

Alter und Alltag.<br />

Ihre Schlussfolgerung am Ende des 2. Buches wird ergänzt durch einen vierteiligen<br />

Anhang. 4<br />

Auf den beiden letzten Seiten ihres Textes greift sie auf »große Worte« zurück,<br />

bemerkt etwas zynisch der französische Philosoph Pierre-Henri Tavoillott. 5 »Wie<br />

müsste eine Gesellschaft beschaffen sein, damit ein Mensch auch im Alter ein<br />

Mensch bleiben kann? Die Antwort ist einfach: er muss immer schon als Mensch<br />

behandelt worden sein. Das Schicksal, das sie ihren nicht mehr arbeitsfähigen<br />

Mitgliedern bereitet, enthüllt den wahren Charakter der Gesellschaft; sie hat sie<br />

immer als Material betrachtet. [...] Von den gealterten Werktätigen kehrt sich die<br />

Gesellschaft wie von einer fremden Gattung ab. Und hier haben wir den Grund,<br />

warum die Frage in konzertiertem Schweigen übergangen wird. Die Situation der<br />

alten Menschen zeigt deutlich das Scheitern unserer Zivilisation auf. [...] In der<br />

idealen Gesellschaft, die ich hier beschworen habe, würde, so kann man hoffen,<br />

das Alter gewissermaßen gar nicht existieren. [...] Davon sind wir weit entfernt.<br />

[...]« Und der letzte Satz: »Es geht um das ganze System, und die Forderung kann<br />

nur radikal sein: das Leben verändern.« (DA, S. 466 f.)<br />

Beauvoir verbindet in ihrem Essay das Alter in der Existenz des Menschen mit<br />

der sozialen Existenz des Alters, oder besser: altern als unhintergehbarer Bestandteil<br />

der menschlichen Situation des/r Einzelnen mit den gesellschaftlichen Bedingungen<br />

des Alters, beide sind immer Bestandteile der jeweiligen einzelnen konkreten<br />

Situation. Allerdings haben sie einen ganz unterschiedlichen Status.<br />

4 Über Hundertjährige; Robert E. Burger: Wer kümmert sich um die Alten? In: Saturday Review vom 25.1.1969;<br />

Die Lebensbedingungen der alten Arbeiter in den sozialistischen Ländern; Einige statistische Angaben über die<br />

Sexualität alter Menschen – auch dieser handelt fast ausschließlich von Männern, er basiert u. a. auf dem Kinsey-<br />

Report. Für eine ausführliche Rezension siehe: Rudolf Schottlaender: Das Alter – ein Thema von Simone de<br />

Beauvoir. In: Sinn und Form, 6/1986, Berlin 1986. Ich danke Irene Selle für den Hinweis auf den Text ihres<br />

Vaters.<br />

5 Pierre-Henri Tavoillot: L’idéal de la vieillesse moderne. In: Simone de Beauvoir. La Passion de la liberté.<br />

Schwerpunktheft des Magazine Littéraire, Januar 2008, Nr. 471, S. 64.<br />

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