15.06.2014 Aufrufe

Dokument 1.pdf - eDoc

Dokument 1.pdf - eDoc

Dokument 1.pdf - eDoc

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

ten Handelns gegen politische Unterdrückung. Beauvoir betont an einigen Stellen,<br />

vor allem im Altersbuch, dass die Freiheit des Verhaltens eher innerlich vollzogen<br />

wird, und die Freiheit des Handelns die äußere Existenz, die soziale betrifft.<br />

Rezeptionen und aktuelle Bezugnahmen auf den Text<br />

In der Kritik wurde »Das Alter« vielfach als zwar durch seine Materialfülle beeindruckend<br />

beurteilt, in der Regel jedoch als für zu akademisch befunden, was nicht<br />

zuletzt auch an seiner Sprache und den bewussten Wiederholungen liegt. Die interessanteste<br />

zeitgenössische Rezension wurde von Jean Améry verfasst. Améry,<br />

der Sartre und Beauvoir sehr nahe stand, hatte aufgrund der »schönsten und anrührendsten<br />

Worte, die ich je über das Alter las« 8 – damit bezieht er sich auf die<br />

letzten Seiten aus »Der Lauf der Dinge« – 1968 seinen eigenen Essay »Über das<br />

Altern« geschrieben. Beauvoir kannte diesen Essay nicht, da er zwar kurze Zeit<br />

vor ihrem Buch erschien, jedoch in deutscher Sprache. In seiner späteren Rezension<br />

von »Das Alter« kritisiert Améry scharf ihre Perspektivenänderung vom existentiell<br />

Individuellen auf die soziale Vermittlung des Alters. Es ist vor allem<br />

Beauvoirs Schlussfolgerung, die optimistische und in seinen Augen ideologische<br />

Möglichkeit der Befreiung vom Alter, die Améry konsterniert. Für ihn ist das die<br />

Verleugnung der Monotonie und des Verfalls, der Tragik, der niemand entkommt.<br />

Beauvoirs These ist seiner Meinung nach die Flucht in die marxistisch interpretierte<br />

Gesellschaft. Er missversteht damit das eigentlich Innovative: Alter als kulturell<br />

und natürlich zu verstehen und die Natürlichkeit als kulturell, ohne die erschreckende<br />

und skandalisierende Sterblichkeit des alternden Körpers zu<br />

vergessen und damit das letztendliche Scheitern der Existenz. Dagegen hat sie in<br />

all ihren Büchern angeschrieben.<br />

In der heutigen sozialgerontologische Forschung ist Beauvoirs Text ein klassischer<br />

Referenztext, aber es gibt keine explizite Aufnahme ihrer Thesen, ausgenommen<br />

in den Texten des Philosophen Thomas Rentsch. 9 Rentsch versteht das<br />

Altern als Radikalisierung der menschlichen Grundsituation (ethisch: als Werden<br />

zu sich selbst) und bezieht sich dezidiert auf Beauvoir und Améry.<br />

Der Diskurstheoretiker und Sozialgerontologe Gerd Göckenjahn hingegen<br />

macht Beauvoirs Altersdiskurs in seiner Studie »Das Alter würdigen. Altersbilder<br />

und Bedeutungswandel des Alters im Jahr 2000« verantwortlich für die erschreckenden<br />

Altersbilder in den Altersthematisierungen der 1970er und 1980er<br />

8 Jean Améry: Das Alter, ein Politikum? In: Die Zeit, 10.4.1970. Wiederabgedruckt in: Jean Améry: Werke, hrsg.<br />

von Monique Boussart, S. 381-387.<br />

9 Vgl. den ersten Band des Forschungsberichts der Akademie der Wissenschaften zu Berlin, der 1994 in zweiter<br />

Auflage als Studientext zur Gerontologie veröffentlicht wurde: P. B. Baltes, J. Mittelstraß (Hrsg.): Zukunft des<br />

Alterns und gesellschaftliche Entwicklung (Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Forschungsbericht 5). Berlin<br />

1992; P. B. Baltes, J. Mittelstraß und U. M. Staudinger (Hrsg.): Alter und Altern: Ein interdisziplinärer Studientext<br />

zur Gerontologie. Berlin 1994.<br />

95

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!