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Was ist heute emanzipativ?<br />

Unter den Bedingungen gesellschaftlich anerkannter, ausdifferenzierter Lebensweisen<br />

verliert der Pakt seine provokante Wirkung. Es geht nicht mehr um den<br />

Kampf gegen die Ehe als erstarrte Lebensform. Nicht primär die Form entscheidet<br />

über das emanzipative Potential von Lebensformen, sondern deren gesellschaftliche,<br />

d. h. soziale, kulturelle, politische und rechtliche Bedingungen, die Geschlechterrolle<br />

und das Selbstverständnis in der Partnerschaft. Beauvoir und Sartre<br />

ging es auch nicht nur um notwendige institutionelle Veränderungen, sondern<br />

immer auch um die permanente kritische und schonungslose Reflektion der eigenen<br />

Lebensweise.<br />

»Bestimme Dein Leben selbst und übernimm hierfür die Verantwortung« – das<br />

heißt heute, den eigenen Lebensweg selbstbestimmt und verantwortlich zu<br />

wählen und zugleich dafür einzutreten, dass die Selbstbestimmung der Frauen<br />

zum zivilisatorischem Allgemeingut wird, dass Geschlechtsverstümmelung, Gewalt<br />

in der Familie und die Erniedrigung und Diskriminierung von Frauen in der<br />

eigenen Familie weltweit geächtet werden. Dazu gehört der respektvolle, einander<br />

zugewandte Umgang miteinander ebenso wie der gleiche Zugang zu Arbeit, Bildung<br />

politischer und kultureller Teilhabe und rechtlicher Gleichstellung.<br />

Friedrich Engels schreibt im »Ursprung der Familie, des Privateigentums und<br />

des Staates«, dass die Gleichheit der Geschlechter erst mit der rechtlichen Gleichheit<br />

der Frau hergestellt ist. Dies setzt den »Widereintritt des gesamten weiblichen<br />

Geschlechts in die öffentliche Wirtschaft voraus«: 48 Erst dann, wenn auch die<br />

Frauen im großem gesellschaftlichen Maßstab an der Produktion beteiligt werden<br />

und die häusliche Arbeit sie nur noch in unbedeutsamen Maß in Anspruch nimmt,<br />

erst dann wird die Befreiung der Frauen möglich. Die moderne große Industrie,<br />

lässt nicht nur Frauenarbeit in großem Umfang zu, sondern verlangt förmlich<br />

nach ihr. 49 Diese Erkenntnis, dass Erwerbstätigkeit der Schlüssel weiblicher<br />

Emanzipation ist, hat sich in den westeuropäischen Ländern weitgehend durchgesetzt.<br />

In Deutschland z. B. halten es nur noch 13 Prozent der Männer für das Beste,<br />

wenn nur der Mann erwerbstätig ist. 50 Zugleich glauben zwei Drittel der<br />

Frauen und drei Viertel der Männer, dass die Geschlechter heute in allen Lebensbereichen<br />

gleichberechtigt sind, obwohl gerade Frauen oft in Teilzeit, unter<br />

schlechteren Bedingungen und unter prekären Beschäftigungsverhältnissen für<br />

weniger Lohn als die Männer arbeiten. 2005 erhielten die Frauen in Deutschland<br />

nur 76 Prozent des Einkommens der Männer. D. h., die Forderung »Gleicher<br />

Lohn für gleiche Arbeit« bleibt aktuell und setzt zudem die Möglichkeit der Vereinbarkeit<br />

von Beruf und Familie voraus. Das bedeutet gleichermaßen ein dichtes<br />

48 Simone de Beauvoir: Das andere Geschlecht, a. a. O., S. 77.<br />

49 Friedrich Engels: Der Ursprung der Familie, des Privateigentum und des Staats. In: MEW, Bd. 21, Berlin 1962,<br />

S. 158.<br />

50 Ulrike Demmer, Angela Gattenburg et. al.: Halbe Männer, ganze Frauen. Spiegel Nr. 26, vom 23.6.2008, S. 47 ff.<br />

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