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Ihre Liebe sei »notwendig« und daher unzerstörbar und verbunden mit dem Versprechen<br />

vollkommener Aufrichtigkeit. Das bedeute jedoch nicht, auf alle nichtnotwendigen,<br />

zufälligen, also »kontingenten« Liebesbeziehungen verzichten zu<br />

müssen, die ihnen das Leben bieten würde. Aber man würde darüber einander in<br />

aller Aufrichtigkeit berichten, nichts voreinander verbergen, vollkommene Transparenz<br />

für sich in Anspruch nehmen.<br />

Der Pakt verstand sich als Gegenentwurf zum vorherrschenden Gesellschaftsund<br />

Frauenbild, als Ausdruck absoluter Freiheit und Gleichheit der Geschlechter.<br />

Seine Regeln sollten frei sein von traditionellen Normen und für Mann und Frau<br />

gleichermaßen gelten.<br />

Die Realität dieses Paktes jedoch relativierte mit der Anerkennung der Überlegenheit<br />

Sartres seinen Anspruch auf absolute Gleichheit und Freiheit und führte<br />

zur realen Ungleichheit der im Pakt Vereinten. Das Verschwinden im »wir« war<br />

zunächst auch nicht Ausdruck einer Symbiose von zwei gleichgewichtigen Philosophen<br />

– dem Denker und der Denkerin. Während sein Name für einen neuen philosophischen<br />

Ansatz stand, war ihr Name es, der zunächst im »wir« verschwand.<br />

Ebenso verschwand hinter dem kategorischen Imperativ des »wir« die autonome<br />

und immer wieder aufbrechende Gefühlswelt Beauvoirs.<br />

Der Pakt bedeutete mit seiner Institutionalisierung als Anti-Ehe ein Leben ohne<br />

Haushalt und ohne Mutterschaft. Ihn prägten die Überlegenheit Sartres und die<br />

Verknüpfungen ihrer notwendigen und zufälligen Liebesbeziehungen, gebunden<br />

an unbedingte Transparenz und Rationalisierung der Gefühle.<br />

Sartres Überlegenheit<br />

Beauvoir hatte mit Sartre ihren idealen Lebenspartner gefunden, »der ihr wunschgemäß<br />

um eine Spur überlegen ist, da sie ihn sonst nicht bewundern könnte«. 22 Sie<br />

selbst beschreibt in der Schlüsselszene im Jardin du Luxembourg ihr Scheitern bei<br />

dem Versuch, ihre eigenständige Philosophie zu entwickeln. Ich setzte ihm »[…]<br />

jene pluralistische Moral auseinander, die ich mir zurechtgelegt hatte […] er<br />

zerpflückte sie mir ganz und gar […] drei Stunden lang kämpfte ich um sie. Dann<br />

musste ich zugeben, dass ich geschlagen war.« 23 Als intellektuell Geschlagene<br />

schließt sie ihren Pakt mit Sartre. Er ist für sie der »frei gewählte Entwurf« – »das<br />

Double, in dem sie mit Erregung alles wieder fand, wovon sie selbst besessen<br />

war«. 24 Sein Werk ist wichtiger. Auch deshalb liest und kommentiert sie Sartres<br />

Texte unabhängig von ihrer eigenen Arbeitslast – es gehört zu ihrem alltäglichen<br />

Arbeitspensum; während Sartre ihre Texte, wenn überhaupt, nach seinem Tagwerk<br />

las – »nie vollständig und nie mit dem gleichen kritischen Blick wie sie«. 25<br />

22 Monika Pelz: Simone de Beauvoir. Leben Werk Wirkung. Frankfurt am Main 2007, S. 19.<br />

23 Simone de Beauvoir: Memoiren einer Tochter aus gutem Hause. Reinbek bei Hamburg 2006, S. 496.<br />

24 Toril Moi: Simone de Beauvoir. Die Psychographie einer Intellektuellen. Frankfurt am Main 1977, S. 62 f.<br />

25 Deirdre Bair: Simone de Beauvoir, a. a. O., S. 209.<br />

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