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atur im allgemeinen, sowie die Ablehnung einer bestimmten Art, den Menschen<br />
zu denken, »diese unnütze Leidenschaft«, die ihm eignet.<br />
Im Übrigen stelle die nun schon zehn Jahre andauernde Schwärmerei der jungen<br />
philosophischen Romanautoren für den amerikanischen Roman eine starke<br />
Gefahr für den Roman dar, so Alexander Astruc im Jahre 1944. 19 »Eine große<br />
Welle der Sympathie führt die jungen Schriftsteller zur amerikanischen Literatur«;<br />
die Technik der amerikanischen Romanautoren zerbricht das klassische Joch<br />
des Romans, »der wieder ein Mittel, nicht mehr ein Ziel darstellt, wovon sich Sartre<br />
und Camus so gut zu inspirieren wussten«, meint er. André Gide wiederum ist<br />
der Auffassung, durch ihre »Sorge um den gegenwärtigen Augenblick«, die eher<br />
die Sinne denn den Verstand anspricht, würden die amerikanischen Romanautoren<br />
unsere Literatur erwecken, und Denis de Rougemont sieht darin eine Literatur,<br />
die, ohne Vorurteile, den Leser direkt betrifft. Die Veröffentlichung von<br />
Schriften Faulkners, Wrights und Hemingways in Form von Fortsetzungsromanen<br />
in einer bestimmten Anzahl von Zeitschriften zeugt vom Geschmack, den man in<br />
Frankreich damals am amerikanischen Roman fand. Ab 1938 rezensierte Sartre<br />
Werke von Dos Passos und Faulkner. 20<br />
Nathalie Sarraute ihrerseits sieht in der »gesunde[n] Einfachheit des jungen<br />
amerikanischen Romans, seine[r] ein wenig raue[n] Energie« eine Gelegenheit<br />
dazu, »unserem durch das Übermaß an Analyse geschwächten und von seniler<br />
Austrocknung bedrohten Roman mittels heilsamer Ansteckung ein wenig Vitalität<br />
und Saft« zurückzugeben. 21<br />
Die eifrige Lektüre der amerikanischen Romane hat die junge Romanautorin<br />
davon überzeugt, dass der Idealismus der französischen Romane ihrer Jugendzeit<br />
vorbei ist. Von nun an will sie den Menschen in seiner konkreten Wirklichkeit zeigen,<br />
worin sich die amerikanischen Romanautoren so gut auskennen. So lässt sie<br />
sich von deren Technik inspirieren, die ihr neue narrative, stilistische und dialogische<br />
Perspektiven eröffnen. »Die psychologische Beschreibung der Figuren durch<br />
schnelle, scheinbar banale Dialoge in einem willentlich neutralen und von jeglichem<br />
Kommentar freien Stil«, derer sie sich in »Sie kam und blieb« stark bedient,<br />
sieht Thierry Maulnier als »einen Versuch, in Frankreich den Stil Hemingways<br />
und Caldwells heimisch werden zu lassen, wenngleich die Form des Buches kaum<br />
aus dem klassischen französischen Romandiskurs ausbricht«, und für ihn »riecht<br />
die Imitation zu sehr nach der Methode, als dass die fremde Poesie der mystischen<br />
Figuren aus Virginia oder Georgia erhalten bleiben könnte.«<br />
19 Alexandre Astruc: Le roman américain. In: Action, 6 Octobre 1944.<br />
20 Diese Kritiken erschienen in »La Nouvelle Revue française« im Februar und August 1938 und im Juni 1939;<br />
1947 wurden sie in einem Sammelband unter dem Titel »Situations, I« publiziert, später dann bei »Critiques littéraires«<br />
(Situations, I), Gallimard, »Folio Essais« 2000.<br />
21 L’Ere du soupçon, Edition Gallimard, Collection Idées, 1956, S. 18. Zuerst 1950 in »Les Temps modernes« publiziert,<br />
erscheint »L’Ere du Soupçon« von Nathalie Sarraute 1956, um dann 1999 in »Folio essais« erneut aufgelegt<br />
zu werden.<br />
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