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wenn die Frau jung ist, »liegt in der Ehe eine Irreführung, da sie mit der Absicht,<br />

die Erotik zu sozialisieren, nur erreicht hat, diese zu töten.« 13 Dem Mann dagegen<br />

verbietet nichts, untergeordnete Geschöpfe zu nehmen und sie zu beherrschen –<br />

innerhalb wie außerhalb der Ehe. Für sie wird die Liebe zur ehelichen Liebe, die<br />

eheliche Pflicht oft zur widerwärtigen Last. »Für immer derselbe Ehemann, für<br />

immer dieselbe Bleibe. Sie hat nichts mehr zu erwarten, nichts Wichtiges mehr zu<br />

wollen«. 14 »Und die zur Einsamkeit und leeren Existenz verurteilten Ehefrauen<br />

richten sich gern in ihrer übellaunigen Gereiztheit ein. Die Tragödien und Niederträchtigkeiten<br />

des Ehelebens liegen in der Institution selbst.« 15<br />

Wie kommt Beauvoir zu diesem vernichtenden Urteil?<br />

Zunächst spiegelt dieses erlebnisgestützte vernichtende Urteil Simone de Beauvoirs<br />

die Ehe ihrer Eltern. Sie erlebte den sozialen Abstieg der aus großbürgerlichem<br />

Hause stammenden Familie Beauvoir und wird Zeugin der damit verbundenen<br />

nächtlichen Auseinandersetzungen. Immer wieder geht es um Geld, immer<br />

weniger entspricht das familiäre Leben der nach außen aufrecht erhaltenen<br />

großbürgerlichen Fassade. Der Vater Beauvoirs war der in Gesellschaft agierende<br />

Freigeist, ihre Mutter, die gläubige Katholikin, das Rückgrat der Familie. Sie<br />

sorgte für den Alltag, war zuständig für die Erziehung der Kinder und erzog sie<br />

nach streng katholischen Normen. Sie duldete bei ihren Töchtern weder geschlossene<br />

Türen, noch geschlossene an sie gerichtete Briefe. »Für sie gab es nichts als<br />

unablässige Pflichterfüllung […].« 16 Sie lebte danach, dass eine Ehefrau sich<br />

ihrem Mann unterzuordnen und für ein Heim zu sorgen habe, das in angemessener<br />

Weise die gesellschaftliche Stellung des Gatten widerspiegelt.<br />

Zu ihrem Vater hatte Simone de Beauvoir weder eine seelische, noch eine physische<br />

Beziehung – »[…] man könnte auch sagen, »überhaupt keine zwischenmenschliche<br />

Beziehung […]« 17 . Sie erlebte das Fremdgehen ihres Vaters, der<br />

morgens nach Hause kam, nach Alkohol roch und verlegen Bridge- oder Pokergeschichten<br />

erzählte. Sie erlebte das Schweigen ihrer Mutter, die darin geübt war,<br />

peinliche Wahrheiten zu übersehen. Und so kommt Beauvoir zu dem Schluss,<br />

dass die bürgerliche Ehe eine »widernatürliche« Einrichtung vor allem für die<br />

Frauen ist und zu ihrer Knechtschaft führt. »Dies konnte ich allein schon in ihrem<br />

Falle entnehmen.«<br />

Aber nicht nur ihr privates Leben führte sie zu einem vernichtenden Urteil über<br />

die Ehe als Institution.<br />

13 Ebenda, S. 247.<br />

14 Ebenda, S. 570.<br />

15 Ebenda, S. 591.<br />

16 Deirdre Bair: Simone de Beauvoir. Eine Biographie. München 1990, S. 65.<br />

17 Simone de Beauvoir, zitiert nach ebenda, S. 66.<br />

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