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détail von ihren Gesprächen mit den Studentinnen: »Eine Abordnung von college<br />
girls erzählt mir von ihren Zukunftsplänen, deren wichtigster es ist, einen Mann<br />
zu finden. Einige wünschen sich einen Mann und einen Beruf, aber die meisten<br />
würden gern auf einen Beruf verzichten. Es ist gut, ein oder zwei Jahre lang einen<br />
job zu haben, sagen sie: erstens kann man auf diese Weise junge Männer kennenlernen,<br />
und zweitens beweist man seine Unabhängigkeit – ist das gelungen, so<br />
kann man sich verheiraten, ohne durch ein Gefühl der Unterlegenheit gehemmt zu<br />
sein. Für diese reichen und verwöhnten jungen Mädchen ist die Ehe die einzige<br />
ehrenhafte Bestimmung; ledig zu bleiben ist in ihren Augen ein Makel. Gerade<br />
der Sonntag ist der Tag der Jagd nach dem Mann. Die Alleen des Campus sind mit<br />
funkelnden Autos überschwemmt, und die Pärchen sitzen in der Sonne auf dem<br />
Rasen: die college girls empfangen ihren date. Diesen Namen, der eigentlich<br />
Rendezvous bedeutet, überträgt man auf den jungen Mann selbst, der zum Flirten<br />
kommt. Das Rendezvous selbst ist wesentlich wichtiger als die Person des Partners.<br />
Das Prestige eines college girls hängt zu einem großen Teil von der Anzahl<br />
der dates ab, die sie ansammelt.« 22<br />
Ich war sehr froh, weiter hinten in ihrem Text von dem Gegensatz zu lesen, den<br />
Beauvoir zwischen diesen Studentinnen aus dem Staat Virginia und denjenigen<br />
macht, die sie später im Osten in Columbia kennen lernt, am Wellesley und am<br />
Smith College, dessen ehemalige Schülerin ich bin. Im Gegensatz zu den Studentinnen<br />
des Macon Colleges sagen diese zu ihr: »›Nein, wir wünschen nicht, in<br />
erster Linie einen Mann zu finden, und wir geben uns auch nicht mit einem job für<br />
ein oder zwei Jahre zufrieden. Wir wollen nützliche Arbeit verrichten. Wir wollen<br />
auch die Welt sehen und uns geistig bereichern!‹ Viele sagen mir aufrichtig: ›Wir<br />
wollen uns nützlich machen.‹« 23<br />
In Chicago trifft sie auf Nelson Algren, den sie im Buch einfach mit N. A. bezeichnet<br />
und der sie begleitet, wenn sie zu den speak-easy geht und Gangster sehen<br />
will. Das ist ein anderer Aspekt der Verbindung zwischen Beauvoir und Amerika,<br />
den ich hier nicht analysieren möchte, der sie aber während der Dauer ihrer Beziehung<br />
dazu motivierte, in regelmäßigen Abständen wieder in die USA zu kommen.<br />
Während einer Zugfahrt von Chicago nach Los Angeles unterhält sich Beauvoir<br />
lange mit einem Professor von der Harvard-University: »Als er mich nach<br />
der Zukunft Frankreichs fragt – mit jener Miene eines nachsichtigen Richters, die<br />
sie hier gern annehmen –, antworte ich ihm, dass man sie nicht von der Zukunft<br />
der übrigen Welt trennen kann und dass sie also zum Teil von der amerikanischen<br />
Politik abhänge. Er ruft aus: ›Aber was können wir für Euch tun?‹« 24 Und sie fragt<br />
sich: »Ist es eine vorgefasste Meinung, dass sie ihre wirkliche Verantwortung verkennen<br />
und dass sie vergessen, dass die Entscheidung über Krieg und Frieden in<br />
22 Ebenda, S. 84.<br />
23 Ebenda, S. 272.<br />
24 Ebenda, S. 107.<br />
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