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schichte der Menschheit aufgezeigt wird. Mit ihrem Werk habe Beauvoir gegen<br />

die Naturalisierung der Geschlechterdifferenz und damit der inferioren Stellung<br />

der Frauen angeschrieben, denen sie auf ihre Weise zu einem eigenständigen Platz<br />

in der zukünftigen Geschichte verhelfen wollte.<br />

Also doch eine eigenständige Geschichtskonzeption bei Beauvoir?<br />

Die Romanistin und Literaturwissenschaftlerin Irene Selle zeigte, wie bereits<br />

in den »Cahiers de jeunesse«, den Jugendtagebüchern, der antibürgerliche Ansatz<br />

zum Ausdruck komme, der »Das andere Geschlecht« und die »Memoiren einer<br />

Tochter aus gutem Hause« prägt. Die »Cahiers de jeunesse« zwingen nach Ansicht<br />

der Referentin zwar nicht zu einer Umwertung von Beauvoir; doch der Leser<br />

begegne hier einer Beauvoir, die sehr viel mehr mit sich selbst ringt, als dies in<br />

ihren Memoiren zum Ausdruck kommt. Die Jugendhefte seien von jugendlichem<br />

Überschwang, von einer Direktheit und Frische geprägt, die den späteren Schriften<br />

zuweilen abgeht. Und so komme in ihnen auf unmittelbare Weise der Hang<br />

zum Extremen, die Auflehnung gegen jegliche Form von Unterdrückung und Ungerechtigkeit<br />

zum Ausdruck wie auch die Ablehnung der typischen Frauenrolle<br />

sowie der katholischen Werte, nach denen sie erzogen worden war. Dennoch: Mit<br />

ihren mehrbändigen Memoiren kommt Beauvoir auf ein Sujet zurück, das sie mit<br />

den »Cahiers de Jeunesse« begonnen hatte, nämlich die autobiographische<br />

Schreibweise, die, wenn man so will, den Hinter- oder Untergrund ihrer historischen<br />

Essays und Romane bildet, aber mehr und mehr zu einem eigenständigen<br />

Part ihres Œuvres wird.<br />

»Befreiung vom Alter« – so lautete der Titel des Vortrags von Ursula Konnertz,<br />

Herausgeberin der Zeitschrift »Die Philosophin« und selbst Philosophin. Während<br />

»Das andere Geschlecht« nach wie vor im Mittelpunkt der feministischen Rezeption<br />

Beauvoirs stehe, friste ihre 1970 veröffentlichte Schrift »La vieillesse« (»Das<br />

Alter«) immer noch ein gewisses Schattendasein. Allerdings werde sie von den<br />

Gerontologen bereits seit Jahren rezipiert, und mit wachsendem gesellschaftlichem<br />

Interesse an Fragen des Alters und des Alterns rückt auch innerhalb der Beauvoir-Rezeption<br />

gerade diese Schrift mehr und mehr in das Zentrum der Aufmerksamkeit<br />

– wovon nicht zuletzt der Vortrag von Ursula Konnertz und das<br />

große Interesse zeugten, das er im Publikum hervorrief! Bei einem Vergleich von<br />

»Das Alter« mit dem 21 Jahre zuvor publizierten »Das andere Geschlecht« stellte<br />

die Referentin die ähnliche Struktur und ein ähnliches Anliegen und Herangehen<br />

heraus: So, wie Beauvoir mit ihrem Essay über die Situation der Frau in der Geschichte<br />

die historisch-sozialen Bedingungen der inferioren Stellung derselben<br />

aufzudecken suchte, so weise sie nun auf ein Skandalon hin, nämlich den Umgang<br />

mit den älteren Generationen in den modernen Gesellschaften, bis dahin ein<br />

Tabu-Thema. Das Alter, so Beauvoir, sei eben keine (rein) biologische Tatsache,<br />

sondern ein natürliches und gesellschaftliches Phänomen zugleich, das noch dazu<br />

klassen- und geschlechtsspezifische Züge trage: Die Situation im Alter hänge<br />

nämlich aufs engste mit der sozialen Stellung zusammen, die die jeweilige Person<br />

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