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Denn er war der wichtigere Philosoph, er war sehr sensibel, er wollte immer von<br />

allen geliebt werden. Außerdem – und das ist Beauvoir wichtig – »übernimmt man<br />

innerhalb einer Paarbeziehung zwangläufig bestimmte Formen des Rollenverhaltens<br />

und Verpflichtungen für den anderen.« 26 Vor diesem Hintergrund spricht Beauvoir<br />

bei der Beschreibung ihrer Beziehung zu Sartre von einer Art »Osmose«. 27 Es<br />

war ein »Wir« mit unterschiedlichen Ansprüchen. Für Beauvoir wurde dieses »Wir«<br />

umso mehr zur unumstößlichen Tatsache, zur Festung, je zerrissener sie sich fühlte<br />

in Gegenwart zahlloser zufälliger Liebensbeziehungen Sartres. Erst sehr spät erklärte<br />

Beauvoir, dass der Satz: »Wir sind eins« auch Ausflucht war aus der sie<br />

quälenden Dreiecksbeziehung mit Olga. Zu sehr lag ihr daran, mit Sartre völlig<br />

überein zu stimmen, und so sah sie eben »Olga mit seinen Augen.«<br />

»Wir opferten unsere Stimmungen und alles, was noch an Wirrnis in uns sein<br />

möchte, dieser permanenten und gesteuerten Liebe, die wir konstruiert hatten« 28 ,<br />

schrieb Sartre später in seinen Tagebüchern. An dieser Konstruktion hielten sie<br />

fest, auch Beauvoir, die ihre wirklich leidenschaftliche Liebe 29 mit Nelson Algren,<br />

ihr Leben mit dem Verleger Lanzmann und ihre Begegnungen mit erotischen<br />

Frauen ihrem einzigartigen Pakt unterordnete. Sartre dagegen liebte, was und wen<br />

auch immer er wollte, als Teil notwendiger existenzieller Erfahrungen und Teil<br />

ihres gemeinsamen Paktes.<br />

Der Pakt – die Anti-Ehe<br />

Sie siezten sich, wohnten im selben Hotel, manchmal auf derselben Etage, aber<br />

nie zusammen. Sie verbrachten gemeinsame Zeiten, auch gemeinsame Ferien, die<br />

sich nach seinem Kalender richteten, man war zusammen, aber eben nicht immer,<br />

meist nur teilweise.<br />

Sie lebten frei von der Knechtschaft des Haushaltes, frei von der Knechtschaft<br />

der Mutter, frei für offene Beziehungen notwendiger und zufälliger Lieben. Sie<br />

hatte auch nie den Wunsch nach einem Kind. 30 Die spätere Adoption von Sartres<br />

Tochter war kein nachgeholter Kinderwunsch, sondern »praktische Vorsichtsmaßnahme«<br />

zur Wahrung der Rechte der Werke Sartres, zur Verwaltung seines intellektuellen<br />

Erbes. Auch Beauvoir adoptierte aus gleichem Grunde später Sylvie Le<br />

Bon de Beauvoir.<br />

Es war das bewusst gelebte Anti-Modell zur traditionellen Ehe, zum Alltag<br />

voller Abhängigkeiten und langweiliger Gewohnheiten. »Damals wollten wir<br />

nicht nur nicht zusammenwohnen, sondern sozusagen überhaupt nicht wohnen.« 31<br />

Das Leben im Hotel bedeutete ihnen Unabhängigkeit und eine Lebensweise, in<br />

26 Ebenda, S. 259.<br />

27 Alice Schwarzer: Simone de Beauvoir heute, a. a. O., S. 53.<br />

28 Jean-Paul Sartre: Tagebücher November 1939 – März 1940. Reinbek bei Hamburg 1984, S. 116.<br />

29 Deirdre Bair: Simone de Beauvoir, a. a. O., S. 425.<br />

30 Alice Schwarzer: Simone de Beauvoir heute, a. a. O., S. 49.<br />

31 Ebenda, S. 47.<br />

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