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»Das andere Geschlecht«: Nachdem die scheinbar »natürlichen« Ursachen der<br />

Unterdrückung der Frauen aus dem Weg geräumt sind (biologische, psychoanalytische,<br />

historisch-materialistische), behandelt die Autorin die Frage der durch die<br />

Herrschaft gezeichneten Vergangenheit und schreitet in Richtung Gegenwart und<br />

Zukunft voran, wo sie eine Befreiung des Subjekts »Frau« erwartet. Wird das<br />

Thema Zukunft überall nur zwischen den Zeilen behandelt, so endet einzig das<br />

Buch von Joséphine de Marchef-Girard mit einem Kapitel unter dem Titel »Die<br />

Zukunft«.<br />

Ein weiteres gemeinsames Element: das Sich-Stützen auf berühmte Frauen als<br />

Beispiel oder Beweis für die Fähigkeiten der Frauen. Die Nachschlagewerke oder<br />

biographischen Sammelbände über weibliche Personen, die besonders in der ersten<br />

Hälfte des 19. Jahrhunderts im Schwange waren, sind nach diesem Konzept<br />

entstanden. 13 Simone de Beauvoir macht im Teil »Geschichte« davon Gebrauch,<br />

insbesondere ab dem Ende des Mittelalters und während der Epoche der Moderne.<br />

Die erwähnten Personen sind im Allgemeinen die gleichen, die man stets<br />

auch in den anderen Werken antrifft (insbesondere königliche Gestalten und Literatinnen).<br />

Der große Unterschied zwischen »Das andere Geschlecht« und seinen Vorgängern<br />

ist in dem Platz zu finden, welcher der Lage der Frauen in der Gegenwart gewidmet<br />

wird, insbesondere den Themen Sexualität und Mutterschaft, Gegenstände,<br />

die seit Erscheinen des Werkes Polemik hervorriefen. 14 Was die Arbeit an<br />

der Geschichte anbelangt, so liegt der Bruch in dem Sinn, der der Vergangenheit<br />

der Frauen beigemessen wird: Der bezeichnende Unterschied betrifft die positivistische<br />

Konstruktion der Geschichte, der zufolge sich die Lage der Frauen im<br />

Laufe der Zeit verbessert hat. Der den historischen Diskurs über das Thema<br />

»Frauen« prägende Positivismus ist inspiriert von demjenigen, der dem evolutionistischen<br />

Denken des 19. Jahrhunderts innewohnt. Er erweist sich als strategische<br />

Anleihe. In der Tat gestattete er den Frauen, die von ihnen in ihrer Gegenwart<br />

geforderten Veränderungen zu legitimieren: Die Verbesserung der Lage der<br />

Frauen wurde als Kontinuität im Voranschreiten der Geschichte dargestellt, es galt<br />

also nur, der »natürlichen« Entwicklung zu folgen. Die Schwierigkeit, die Geschichte<br />

einer solchen Darstellung unterzuordnen, ist überall sichtbar, und einige<br />

Autorinnen haben sie explizit erwähnt (so Alice Hurtrel).<br />

Die Darstellung der Geschichte der Frauen durch Simone de Beauvoir steht<br />

dieser Affirmation eines kontinuierlichen Fortschritts entgegen. Indes, da sie die<br />

13 Ernot: 2006. Einige Beispiele: Fortunée Briquet: Dictionnaire historique, littéraire et bibliographique des<br />

Françaises et des étrangères naturalisées en France connues par leurs écrits, ou par la protection qu’elles ont accordée<br />

aux gens de lettres. Paris, Treuttel et Würtz, an XII, S. XXXIV-347, 1804; Stéphanie de Genlis: De l’influence<br />

des femmes sur la littérature française, comme protectrices des lettres et comme auteurs, ou Précis de<br />

l’histoire des femmes françaises les plus célèbres. Paris, Maradan, S. XL-373, 1811; Adélaïde Dufrénoy: Biographie<br />

des jeunes demoiselles ou vies des femmes célèbres depuis les Hébreux jusqu’à nos jours. Paris, Librairie<br />

d’éducation d’Alexis Eymery, 2 vol., 1816; Gabrielle de Plancy: Année des dames ou Petite biographie des femmes<br />

célèbres pour tous les jours de l’année. Paris, Crevot, 2 vol.<br />

14 Chaperon: 1999, S. 357-362; Galster: 2004b.<br />

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