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Jahre. Er wirft ihr eine grelle Sprache und schablonenhaftes Denken vor. Auf den<br />

Kern ihrer Thesen geht er in keiner Weise ein.<br />

Die feministische Rezeption von Beauvoirs Buch hat im Grunde nicht stattgefunden.<br />

Das liegt sicherlich auch an der oben schon erwähnten späten feministischen<br />

Besetzung des Themas Alter und Geschlecht, das erst in den letzten Jahren<br />

unter dem Eindruck der Feminisierung von Alter und Armut wie auch der geschlechterkodierten<br />

Altersbilderveränderungen in den westlichen Anti-Aging-<br />

Gesellschaften systematisch bearbeitet wird. Skandalös im Hinblick auf die bewusste<br />

Nichttradierung innerhalb der feministischen Theoriegeschichte, die schon<br />

»Das andere Geschlecht« in den 1960er und 1970er Jahren betraf, ist vor allem<br />

das Buch von Betty Friedan »Mythos Alter«, 1993 auf englisch erschienen. In<br />

dem mehr als 600 Seiten umfassenden Werk weist Friedan an einer einzigen<br />

Stelle auf Beauvoir hin, nicht allerdings auf ihr Altersbuch.<br />

Altern im Zusammenhang des Werks<br />

Im Werk Beauvoirs finden sich viele thematische und systematische Bezüge zu<br />

ihren Thesen aus »Das Alter«. Auffällig ist vor allem eine Verschiebung des Themas<br />

von metaphysischer Angst vor dem Altern als Zeitlichkeitserfahrung und der<br />

Gerinnung der Vergangenheit im ersten Memoirenband zu den konkreten körperlichen<br />

Erfahrungen vor allem weiblicher Figuren im Spätwerk. Oft parallel zu Tod<br />

und Angst vor dem Nichts thematisiert, steht das Altern mit diesen Themen in innigem<br />

Zusammenhang. Dies führt sie schon in einer ersten systematischen Erläuterung<br />

des Begriffs der Situation auf zwei Seiten in »Pyrrhus und Cinéas«, also<br />

einer frühen Schrift, aus.<br />

Eine literarische Umsetzung findet man auch – sehr resignativ – in »Eine gebrochene<br />

Frau«, »Die Welt der schönen Bilder« und in »Die Mandarins von<br />

Paris«. »Ein sanfter Tod« und »Das Zeremoniell des Abschieds«, das Sterben der<br />

Mutter und der im Tod mündende körperliche Verfallsprozess Sartres, beides<br />

minutiös beschrieben, stehen – wie auch schon sämtliche frühen Romane – im<br />

Zentrum einer anderen Fragestellung, der Thematisierung des Todes, die allerdings<br />

systematisch mit der des Alterns verbunden ist.<br />

Sowohl beim Alter als auch bei der Thematisierung des Todes verweist Beauvoir<br />

auf die gängige, aber schon in den 1970er Jahren sehr fragwürdige Verdrängungsthese.<br />

Allerdings muss man, kritisiert man Beauvoir an diesem Punkt, genau<br />

hinsehen, wie sie selbst in ihren Büchern vorgeht. Sicher ist es richtig, dass Tod,<br />

Bestattung, Trauer seit dem 18. Jahrhundert aus der Öffentlichkeit verdrängt und<br />

der Anblick von Sterbenden den Menschen entzogen wurden. Aber mit dem Ersten<br />

und vor allem dem Zweiten Weltkrieg war das Verdrängen eigentlich nicht<br />

mehr möglich. Der vorher ins Krankenhaus abgeschobene Sterbende war jetzt<br />

überall sichtbar.<br />

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