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Romanschriftstellerin, der Kritik und der Presse installieren wird. Seit 1937, nach<br />

den tastenden Versuchen und der Zurückweisung ihrer Novellen, die, nach Meinung<br />

mehrerer Herausgeber, in einem allzu klassischen Stil gehalten sind, war sie<br />

auf der Suche nach einem neuen Stil, um das Verfassen von »Sie kam und blieb«<br />

in Angriff zu nehmen. Seit dem ersten Roman von Sartre, »Der Ekel«, im Jahre<br />

1938 als literarisches Ereignis gefeiert, geht die Tendenz in Richtung metaphysischer<br />

Roman. Und so setzt die junge Romanautorin ihre solide philosophische<br />

Ausbildung, ihren täglichen Austausch mit Sartre und ihre Lektüre Hegels und<br />

Heideggers, die in Frankreich noch wenig bekannt sind, ein, um die Metaphysik<br />

in ihren Roman zu integrieren. Sicherlich profitiert sie dabei von einer Mode, aber<br />

sie versucht auch, die existenzialistische Philosophie lesbarer zu machen, indem<br />

sie sie in das Leben ihrer Figuren integriert.<br />

An Nelson Algren, der die Lektüre von »Das Blut der anderen« schwierig findet,<br />

schreibt sie einige Jahre später: »Sie haben recht, da ist zu viel Philosophie,<br />

aber das entspricht meiner spontanen Wahrnehmung der Welt; jedes Ereignis, das<br />

mich berührt, beurteile ich in mir selbst, ich unterscheide nicht zwischen Empfindungen,<br />

Ereignissen und Philosophie, und es wäre gegen meine Natur, diese letztere<br />

auszuschließen.« 11<br />

In dem philosophischen Essay »Pyrrhus und Cineas«, der der Publikation von<br />

»Sie kam und blieb« folgt, und seit den ersten Ausgaben von »Les Temps Modernes«,<br />

verteidigt sie ihre Entscheidung, die von Maurice Merleau-Ponty geteilt<br />

wird, für den die Rückkehr der Metaphysik in die Literatur unumgänglich ist. 12<br />

Für Maurice Blanchot »kann der Romanautor, der zugleich Philosoph ist, nur eine<br />

Bereicherung darstellen, in der Weise, wie er Probleme der Existenz, der Freiheit<br />

aufwirft«, 13 wie es Simone de Beauvoir in ihrem zweiten Roman tut. Warum sollte<br />

man der Fiktion mit ihren kaum definierten Umrissen verwehren, »sich aus anderen<br />

Quellen zu speisen als aus denjenigen, die sie hervorgebracht haben: dem<br />

Wunsch, der Wahrheit des Lebens der Menschen so nah wie möglich zu kommen,<br />

eine Weltsicht anzubieten. Es gibt einen Grund, beide Disziplinen zu verbinden,<br />

das wusste Sartre, ebenso wie Simone de Beauvoir und Albert Camus.«<br />

Maurice Nadeau wirft der Erzählerin vor, ihrer Fiktion ein philosophisches<br />

Schema übergestülpt zu haben, in das sich die Figuren, ihr Denken und ihr Handeln<br />

einschreiben müssen, was ihrem Verhalten anzumerken sei. 14 »Aufgebläht<br />

von Philosophie« stehen sie vor großen, mit Problemen der Existenz verbundenen<br />

Fragestellungen, und ihre Schöpferin »führt sie am Gängelband«, hindert sie am<br />

Atmen, statt sie ihr Abenteuer verfolgen zu lassen. Das sind »konstruierte« Figu-<br />

11 Simone de Beauvoir: Lettres à Nelson Algren. Un amour transatlantique, 1947-1964. Texte établi, traduit de<br />

l’anglais et annoté par Sylvie Le Bon de Beauvoir. Lettre du 18 Août 1948, S. 223.<br />

12 Maurice Merleau-Ponty: Le roman et la métaphysique. In: Cahiers du Sud, n° 278 T XXIII, Mars-Avril 1945,<br />

repris dans Sens et Non sens, Maurice Merleau- Ponty, Nagel Editeur, 1966, puis Gallimard, 1996, S. 34-52.<br />

13 Maurice Blanchot: Les romans de Sartre. In: L’Arche, octobre 1945-juillet 1946, S. 129.<br />

14 Combat, 28 septembre 1945.<br />

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