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Simone de Beauvoir als Frau an der Sorbonne<br />
Mit ihren Vorlieben im Bereich der Literatur und der Philosophie der zweiten<br />
Hälfte der zwanziger Jahre lag Simone de Beauvoir durchaus im Bereich der dominanten<br />
Positionen. Sie war aber auch als Frau im philosophischen Feld. Und<br />
diese Position war nun keineswegs selbstverständlich. Sie war in Frankreich erst<br />
die neunte Frau, die die Agrégation in Philosophie erfolgreich absolvierte. Es gab<br />
vorher ganz seltene Fälle von Frauen, die ein Doktorat in Philosophie vorgelegt<br />
hatten, so etwa die von ihr verehrte Léontine Zanta. Doch erst seit 1924 waren<br />
Frauen überhaupt zum prestigereichen Examen der Agrégation zugelassen, das<br />
auch die Verbeamtung implizierte. Simone de Beauvoir gehörte, wie Toril Moi<br />
unterstrich, der ersten Generation europäischer Frauen an, die auf der Ebene der<br />
Hochschule nicht mehr einem getrennten Ausbildungsgang folgte, sondern mit<br />
den Männern gemeinsam studierte und sich in Rivalität zu ihnen messen musste. 35<br />
Toril Moi zählt sie darum zur Generation der Pionierinnen in diesem Bereich, zusammen<br />
mit Margaret Mead (geb. 1901), Hannah Arendt (geb. 1906) und Mary<br />
McCarthy (geb. 1912).<br />
Simone de Beauvoir hatte aber ihre Ausbildung nicht gleich in diesem neuen<br />
Kontext begonnen. Ab dem fünften Lebensjahr wurde sie in einer katholischen<br />
Mädchenschule für höhere Töchter eingeschult – dem Cours Desir 36 –, wo sie bis<br />
zum Abitur 1925 blieb. Die streng katholische Mutter aus einer verarmten<br />
Großbürgerfamilie optierte für diese Schule, die sich konfessionell, geschlechtsmäßig<br />
(eine reine Mädchenschule) und sozial (die Bezahlung des Schulgeldes garantierte<br />
eine soziale Selektion) von der Staatsschule abhob. Die Ausbildung war<br />
solide, aber eng und sektiererisch, erlaubte Simone jedoch, das Baccalauréat 1925<br />
mit 17 1 / 2 Jahren mit gutem Erfolg abzuschließen. Als sie dann im Herbst 1925 ihr<br />
Studium an der Sorbonne aufnimmt, wird sie von den Eltern gezwungen, gewisse<br />
Fächer in katholischen Hochschulen zu belegen, am Institut catholique Mathematik<br />
und am Institut Sainte Marie in Neuilly Literatur und Latein. Eine ihrer Lehrerinnen<br />
in Neuilly, Mademoiselle Mercier, selbst eine der ersten weiblichen Philosophie-agrégées<br />
in Frankreich, ermunterte sie, sich voll dem Studium der Philosophie<br />
an der Sorbonne zu widmen. Die Eltern stimmten nun – widerwillig – zu.<br />
Mit der Entscheidung für die Sorbonne mit dem Berufsziel Philosophie-Lehrerin<br />
an einer öffentlichen Schule (über das agrégations-Examen) reihte sie sich in das<br />
säkularisierte öffentliche Schulsystem ein. Nach dem ersten vollen Studienjahr an<br />
der Sorbonne erwarb sie 1927 die Certificats in Philosophiegeschichte, Allgemeiner<br />
Philosophie auf dem zweiten Rang (nach Simone Weil 37 , aber vor Merleau-<br />
35 Toril Moi: Simone de Beauvoir. Die Psychographie einer Intellektuellen. Frankfurt am Main, Fischer, 1996,<br />
S. 17.<br />
36 Desir korrigiert Sylvie Le Bon de Beauvoir die meist verwendete falsche Schreibweise Désir.<br />
37 Die 1909 in einer Arztfamilie geborene Simone Weil gehört zweifellos auch zu den eben genannten Pionierinnen;<br />
sie fand aber noch früher als Simone de Beauvoir zu den klassischen, vorher den Männern vorbehaltenen Elite-<br />
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