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ganzen hübschen Welt wird von »diesem zugleich straffen, unerbittlichen, bösartigen<br />

und duldsamen Geist beschrieben«. Sie »hat die Gabe, einen Roman zu beseelen«,<br />

schreibt Maurice Saillet, »sie berichtet in kurzen, lebendigen und straffen<br />

Zügen, und lässt dem Dialog großen Raum.«<br />

Im Jahre 1949 befasste sich Criticus, alias Marcel Berger, ausgehend vom ersten<br />

Kapitel von »Sie kam und blieb«, mit dem Stil Simone de Beauvoirs. 38 Er betonte<br />

die Raffinesse und Eleganz eines Stils, der, trotz der oftmals extremen Freiheiten,<br />

die sich die Autorin gegenüber der Syntax herausnimmt, mit wenigen<br />

Mitteln »den Leser in die Innenwelt der Heldin eintreten lässt«. Diese positive<br />

Haltung wird auch von Philippe Sollers geteilt, der sich jüngst in einer Studie, die<br />

er auf dem von Julia Kristeva aus Anlass des 100. Geburtstages Simone de Beauvoirs<br />

im Januar 2008 in Paris organisierten Kolloquium vorstellte, ebenfalls mit<br />

dem Stil derselben beschäftigte.<br />

Doch auch die scharfen Kritiker des »schweren, erstickenden« Stils von »Sie<br />

kam und blieb« sind Legion. Als 1954 »Die Mandarins« erscheinen, klagt Jacques<br />

Laurent den Stil an, der viel zu lax sei, um wahr zu wirken, die »Unbeholfenheit<br />

des Ausdrucks«: »die Dialoge Madame de Beauvoirs übersteigen an Bedeutung<br />

nie das Bedeutete«; »Madame de Beauvoir liebt die französische Sprache nicht.<br />

Doch warum liebt sie das Französische, sobald es nachlässig ist?«, fragt er sich. 39<br />

Um nicht als bürgerliche Romanautorin zu gelten, reiche es nicht aus, ständig umgangssprachliche<br />

Wendungen zu benutzen (etwa »ça« anstelle von »cela« zu<br />

schreiben). Simone de Beauvoir gab zu, dass der Stil für sie nicht von oberster<br />

Priorität war.<br />

Zusammenfassung<br />

Der Korpus der Rezeption der drei ersten Werke Simone de Beauvoirs zeugt von<br />

einer tiefen Kluft zwischen literarischer Anerkennung seit »Sie kam und blieb«,<br />

einerseits, und der immer wiederkehrenden Zurückweisung durch eine parteiische<br />

Kritik, andererseits, die ihr ihren Lebensstil, ihre literarischen Neigungen und insbesondere<br />

ihre Schreibweise vorwirft, mit der sie reale Situationen ungeschminkt<br />

darstellt. Die Debatte wird beherrscht von der Gegnerschaft gegen den Existenzialismus<br />

und die Omnipräsenz Sartres, dessen »Anhängerin« sie sei. Im Zentrum<br />

der Gegensätze zwischen Existenzialisten, Marxisten und Christen steht die Ideologie,<br />

selbst wenn einige diese Gräben auf »literarische« Weise zu überspringen<br />

versuchen. Diese Distanz hält das gesamte Schaffen Beauvoirs über an, und die<br />

38 Criticus (pseudonyme de Marcel Berger): Le Style au microscope. Calmann-Lévy, 1949 (T.1), 1951 (T.2),<br />

Simone de Beauvoir, S. 25-42.<br />

39 Jacques Laurent: Simone de Beauvoir vend la mèche pour 900 Francs (Gallimard). In: Arts, du 3 au 9 novembre<br />

1954, n° 488.<br />

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