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(anarchistischen?) Appell, sich durch autonomen Entschluss aus der Knechtschaft<br />

zu befreien, wird man beim Soziologen Bourdieu vergeblich suchen, weshalb<br />

seine Lektüre pessimistischer stimmt als diejenige von Beauvoir. 14 Was ihn aber<br />

nicht hindert, ebenso wie seine Vorgängerin mit einer Utopie zu enden, nämlich<br />

der Utopie von der freien Liebe!<br />

Abspann<br />

Abschließend bleibt mir darauf hinzuweisen, dass Simone de Beauvoir ihre Anschauungen<br />

persönlich gelebt hat, wovon nicht zuletzt auch solche Schriften wie<br />

»Memoiren einer Tochter aus gutem Hause« zeugen. Von früher Kindheit an war<br />

es ihr Bestreben, sich von jeglicher Vormundschaft zu befreien und sich zur Autorin<br />

eben nicht nur ihrer Schriften, sondern ihres Lebens selbst zu machen. Man<br />

mag dem entgegensetzen, dass dies eine Illusion ist. Ich würde sagen: Dies ist ein<br />

hoher Anspruch. Und auch ich als ihre Leserin fühle mich immer wieder aufgefordert,<br />

mein eigenes Verhalten zu bedenken und mich zu fragen, welchen aktiven<br />

Gebrauch ich denn von den vorhandenen Möglichkeiten mache, die sich mir bieten,<br />

oder ob mich nicht allzu oft einigele, isoliere und damit – auch als Frau – auf<br />

den Platz drängen lasse, auf den ich aus Sicht von Anderen gedrängt werden soll.<br />

Es ist frappierend, wie sie mit ihren Werken die Möglichkeit bietet, die Situation,<br />

in der man sich befindet, zu verstehen und somit sich selbst zu beobachten und zu<br />

begreifen.<br />

Manches an den Anschauungen von Beauvoir ist sicherlich schon veraltet oder<br />

so selbstverständlich geworden, dass es nicht mehr erwähnenswert erscheint, wie<br />

etwa die soziale Natur der scheinbar biologischen Natur der Menschen. Zu manchem<br />

kann man durchaus andere Sichtweisen vertreten, etwa zur Frage der Mutterschaft,<br />

die Beauvoir überwiegend als etwas Negatives, Belastendes, als Bürde<br />

ansieht (womit sie m. E. einen männlichen Standpunkt einnimmt!) Freilich be-<br />

14 Mehr noch: In der bereits erwähnten Fußnote 10 verweist Bourdieu auf sein Vorwort zur französischen Ausgabe<br />

von Toril Moi: Simone de Beauvoir. Conflits d’une intellectuelle. Paris 1995. In diesem Vorwort unter dem Titel<br />

»Apologie pour une femme intellectuelle« nimmt Bourdieu direkten Bezug auf Beauvoir bzw. auf deren Verhältnis<br />

zu Sartre. Und was macht der Soziologe hier? Auf dieses »ideale Paar«, das für viele Frauen (und Männer)<br />

zum Modell des Zusammenlebens mit dem je anderen Geschlecht avancierte, wendet Bourdieu nichts anderes an<br />

als – sein Konzept der symbolischen Gewalt bzw. der freiwilligen Knechtschaft. Denn nach Bourdieu lassen sich<br />

in diesem Verhältnis die klassischen Ungleichgewichte ausfindig machen, die die Beziehungen zwischen den<br />

Geschlechtern prägen: Mann – Frau, älter – jünger, »Normalien« – »nur« Abgängerin katholischer Lehreinrichtungen;<br />

der Erste – die Zweite beim concours an der Sorbonne. Genau in diesem Zweierverhältnis sei Beauvoir<br />

willentlich/unwillentlich stets die Zweite bzw. die Andere gewesen. Die von ihr vertretene subjektiv-idealistische<br />

Philosophie der Freiheit, die sie von ihrem männlichen Partner übernommen habe, hätte ihr genau die Klarsicht<br />

auf ihr eigenes Verhältnis zu diesem Mann verstellt. Insofern bezeichnet Bourdieu das Verhältnis zwischen den<br />

beiden als »vollkommene Illustration der symbolischen Gewalt«: Simone de Beauvoir wende ihre Erkenntnisse<br />

zu den Geschlechterverhältnissen nie auf ihre eigenen Beziehungen an. Soweit Bourdieu. Allerdings stellt sich<br />

die Frage, ob die Philosophin wirklich so blind war, wie es der Soziologe behauptet. Diese Frage vermag ich<br />

jedoch nicht zu beantworten.<br />

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