Lawrence M. Krauss - Nehmen wir an die Kuh ist eine Kugel
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feld zeigt. M<strong>an</strong> <strong>wir</strong>d hier k<strong>eine</strong> Gesamtorientierung feststellen<br />
können. Auf größerer Skala jedoch können thermische Fluktuationen<br />
<strong>die</strong> mittlere magnetische Orientierung nicht ändern, es<br />
bleibt so wie es <strong>ist</strong>. Wenn m<strong>an</strong> nun aber <strong>die</strong> Temperatur erhöht -<br />
das äußere Magnetfeld bleibt Null -, gibt es für das Eisen <strong>eine</strong>n<br />
kritischen Punkt. Hier bleiben <strong>die</strong> Richtungs-Fluktuationen<br />
bestehen, im g<strong>an</strong>zen Stück Eisen, in allen Skalen. Es wäre sinnlos,<br />
<strong>eine</strong> gemeinsame Orientierung zu suchen, gleichgültig, wie<br />
groß m<strong>an</strong> <strong>die</strong> Probe wählt.<br />
Ist es nicht erstaunlich, daß am kritischen Punkt sowohl für<br />
Wasser als auch für Eisen das gleiche gilt? Es spielt überhaupt<br />
k<strong>eine</strong> Rolle, daß <strong>die</strong> mikroskopische Struktur der beiden so<br />
unterschiedlich <strong>ist</strong>. Am kritischen Punkt sind <strong>die</strong> Variationsmöglichkeiten<br />
im Material durch genau zwei Freiheitsgrade charakterisiert:<br />
auf und ab, oder - beim Wasser - dichter und weniger<br />
dicht. Das gilt für alle Skalen, nicht nur für den mikroskopischen<br />
Bereich. Die Physik <strong>ist</strong> hier losgelöst von den inneren Unterschieden<br />
der Stoffe. Wenn sich Wasser dem kritischen Punkt<br />
nähert, trägt sein Verhalten entweder das Etikett »Flüssigkeit«<br />
oder »Gas«, und das <strong>ist</strong> völlig dasselbe beim Magneten, der auf<br />
s<strong>eine</strong>m Etikett entweder »aufwärts« oder »abwärts« stehen hat.<br />
Jede Messung <strong>an</strong> dem <strong>eine</strong>n System sieht genauso aus wie <strong>eine</strong><br />
<strong>an</strong> dem <strong>an</strong>deren.<br />
Skalenbeziehungen verschiedener Systeme, in unserem Fall<br />
<strong>die</strong> Skaleninvari<strong>an</strong>z am kritischen Punkt, helfen uns, Gleichförmigkeit<br />
und Ordnung zu finden, wo sich auf den ersten Blick nur<br />
unent<strong>wir</strong>rbare Komplexität zeigt. Diese Erkenntnis war <strong>eine</strong>r<br />
der größten Erfolge des Forschungsgebietes, das <strong>wir</strong> Festkörperphysik<br />
nennen. Sie hat unser Verständnis von der Physik der<br />
festen Körper revolutioniert. Die ersten Arbeiten auf <strong>die</strong>sem<br />
Gebiet in den sechziger und siebziger Jahren stammen von<br />
Michael Fisher und Kenneth Wilson von der Cornell University<br />
und von Leo Kad<strong>an</strong>off von der University of Chicago. Die<br />
Erkenntnisse aus <strong>die</strong>ser Forschung haben in der g<strong>an</strong>zen Physik<br />
Fuß gefaßt - überall dort, wo Komplexität und Größe <strong>eine</strong> Rolle<br />
spielen. Wilson bekam 1982 den Nobelpreis für <strong>die</strong> Erkenntnis,<br />
daß <strong>die</strong>se Art Verständnis vom Verhalten in der Materie nicht