Lawrence M. Krauss - Nehmen wir an die Kuh ist eine Kugel
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schaft von unglaublicher Bedeutung. Es geht auch nicht darum,<br />
daß m<strong>an</strong> ohne <strong>die</strong> mathematische Basis der Physik k<strong>eine</strong> wichtigen<br />
Verbindungen knüpfen k<strong>an</strong>n. Nein, der zentrale Punkt <strong>ist</strong>,<br />
daß <strong>die</strong> Verbindungen, <strong>die</strong> von der Mathematik geknüpft werden,<br />
<strong>die</strong> vollständige und solide Grundlage bilden, um unser<br />
Bild von der realen Welt zu entwerfen.<br />
Lassen Sie mich ein persönliches Beispiel dafür <strong>an</strong>führen, wie<br />
unterschiedlich Dinge sein können, je nachdem, aus welchem<br />
Blickpunkt m<strong>an</strong> sie sieht. M<strong>eine</strong>r Frau verd<strong>an</strong>ke ich unendlich<br />
viel. Mit das Wichtigste, was ich von ihr lernte, <strong>ist</strong>, wie verschieden<br />
m<strong>an</strong> s<strong>eine</strong> Umwelt sehen k<strong>an</strong>n. Wir beide kommen aus sehr<br />
unterschiedlichen Verhältnissen. Sie stammt aus <strong>eine</strong>m kl<strong>eine</strong>n<br />
Dorf, ich aus <strong>eine</strong>r großen Stadt. Die Umgebung, in der jeder aufwächst,<br />
prägt auch das Bild, das m<strong>an</strong> sich von s<strong>eine</strong>n Mitmenschen<br />
macht. Die me<strong>ist</strong>en Leute, <strong>die</strong> m<strong>an</strong> täglich in der Großstadt<br />
sieht, ersch<strong>eine</strong>n »eindimensional«: Der Metzger <strong>ist</strong> halt<br />
der Metzger und weiter nichts, der Milchm<strong>an</strong>n <strong>ist</strong> ein Milchm<strong>an</strong>n<br />
und der Arzt ein Arzt. In <strong>eine</strong>r Kleinstadt aber <strong>ist</strong> es g<strong>an</strong>z<br />
natürlich, daß m<strong>an</strong> den Leuten nicht nur in <strong>die</strong>ser Maske begegnet.<br />
Sie sind ja Ihre Nachbarn. Der Doktor hat vielleicht Alkoholprobleme,<br />
und <strong>die</strong>ser weichliche Typ von gegenüber <strong>ist</strong><br />
zugleich ein begnadeter Englischlehrer am Gymnasium. Ich<br />
habe inzwischen gelernt, daß m<strong>an</strong> s<strong>eine</strong> Mitmenschen nicht einfach<br />
aufgrund <strong>eine</strong>r einzelnen Tätigkeit in Charakter-Schubladen<br />
stecken soll. Nur wenn m<strong>an</strong> sich dessen bewußt <strong>ist</strong>, k<strong>an</strong>n<br />
m<strong>an</strong> <strong>die</strong> Menschen und ihr Leben besser verstehen.<br />
So hat auch jeder physikalische Prozeß im Universum mehrere<br />
Sichtweisen, er <strong>ist</strong> mehrdimensional. Mit <strong>die</strong>ser Erkenntnis<br />
können <strong>wir</strong> jeden Prozeß in den vielen äquivalenten, aber<br />
scheinbar unterschiedlichen Wegen verstehen, auf denen <strong>wir</strong><br />
tief in <strong>die</strong> Geheimnisse des Universums eindringen. Wir können<br />
nicht erwarten, <strong>die</strong> Natur zu verstehen, wenn <strong>wir</strong> nur <strong>eine</strong> Seite<br />
von ihr sehen. Ob <strong>eine</strong>m das paßt oder nicht: Tatsache <strong>ist</strong>, daß<br />
<strong>wir</strong> nur mit Hilfe mathematischer Beziehungen das G<strong>an</strong>ze<br />
durch s<strong>eine</strong> Teile erkennen können. Es <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Mathematik, mit<br />
der <strong>wir</strong> feststellen, daß <strong>die</strong> Welt als »kugelige <strong>Kuh</strong>« verst<strong>an</strong>den<br />
werden k<strong>an</strong>n.