07.05.2015 Aufrufe

Geschäftsbericht 2008

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Wie sich die Finanzmarktkrise<br />

entwickelt hat<br />

Am Anfang der Finanzmarktkrise stand das Platzen<br />

der sog. Immobilienblase in den USA. Häuser<br />

von Schuldnern mit geringer Bonität (Subprime-<br />

Hypothekendarlehen), die zu 100 % von den Banken<br />

fremdfinanziert wurden, verloren erheblich an<br />

Wert. Der zuvor jahrelang funktionierende Mechanismus<br />

aus steigenden Häuserpreisen, steigenden<br />

Hypotheken, hoher Konsumfreude und<br />

kräftigem Wachstum kam zum Erliegen. Der immense<br />

Abschreibungsbedarf der Banken sprang<br />

wie in einem Schneeballsystem auf andere Bereiche<br />

über.<br />

2000: Banken beginnen Immobilienkredite zu<br />

Fonds (Verbriefung) zu bündeln und Anteile an<br />

diesen Fonds zu verkaufen. Ratingagenturen bewerten<br />

diese Fonds mit „sehr gut“ (Triple A). Hohe<br />

Renditen sorgen für Absatz. Banken, Versicherungen<br />

und Investmentfonds nehmen solche Papiere<br />

in ihre Bilanzen, reichen sie aber auch an<br />

Privatkunden weiter. Im Folgenden werden auch<br />

Fonds aus Fonds aufgelegt.<br />

2001 – 2004: Lockere Kreditvergaberichtlinien und<br />

die Niedrigzinspolitik der US-Notenbank Federal<br />

Reserve schaffen ein Überangebot an billigem<br />

Geld. Selbst Kleinstverdiener können Häuser erwerben.<br />

Erwartete Wertsteigerungen der Häuser<br />

lassen das Ausfallrisiko zunächst niedrig erscheinen.<br />

Ein weiteres Problem liegt bei den Zinsen.<br />

Anders als in Deutschland üblich, werden sie in<br />

den USA nur für kurze Zeit festgeschrieben. Die<br />

Substanz dieser sog. Derivate ist immer schwerer<br />

einzuschätzen. „Erstproduzenten“ von Derivaten<br />

reichen ihre Risiken zu 100 % – ohne Selbstbehalt –<br />

weiter. Jeder vertraut auf das Urteil der Ratingagenturen.<br />

2005 – 2006: Zur Eindämmung der Inflation erhöht<br />

die Federal Reserve kontinuierlich die Leitzinsen.<br />

Es baut sich eine Kettenreaktion auf: Wegen der<br />

variablen Zinssätze steigen auch die Hypothekenzinsen.<br />

Viele Hausbesitzer können die höhere<br />

Zinsbelastung nicht tragen. Die Zahl der Zwangsversteigerungen<br />

nimmt zu, der US-Immobilienmarkt<br />

bricht infolge des Überangebots ein.<br />

2007: Die Zahl Not leidender Kredite steigt rasant.<br />

Erste US-Baufinanzierer werden insolvent, die<br />

halbstaatlichen Hypothekenbanken Fannie Mae<br />

und Freddie Mac geraten in Schwierigkeiten. Banken,<br />

Versicherungen und Investmentfonds müssen<br />

hohe Beträge abschreiben. Mit der Notübernahme<br />

der britischen Bank Northern Rock durch<br />

den Staat erreicht die Krise Europa. In Deutschland<br />

gerät die IKB in eine Schieflage. Immer mehr<br />

Marktteilnehmern werden die Intransparenz der<br />

Papiere und das gestiegene Ausfallrisiko bewusst.<br />

Die Folge: Die Banken werden im Geschäft untereinander<br />

vorsichtiger; der Interbankenmarkt trocknet<br />

aus. Mit hohen Milliardenbeträgen halten die<br />

Notenbanken den Geldkreislauf aufrecht.<br />

<strong>2008</strong>: Die Verbriefungskaskade wird zur Abschreibungskaskade.<br />

Die US-Regierung übernimmt<br />

die Kontrolle von Fannie Mae und Freddie Mac.<br />

In Deutschland fällt die Sachsen LB an die Landesbank<br />

Baden-Württemberg; Regierungsbürgschaften<br />

können das unkalkulierbare Risiko in den<br />

Büchern nicht ausräumen. Die US-Regierung lässt<br />

aus ordnungspolitischen Gründen die Investmentbank<br />

Lehman Brothers insolvent werden. Diese<br />

Pleite erschüttert die Märkte weltweit. Die Finanzmarktkrise<br />

wird zur Vertrauens- und Systemkrise;<br />

der Interbankenmarkt kollabiert. Die US-Regierung<br />

verabschiedet ein Rettungspaket über 700 Mrd. $,<br />

um Not leidende Kredite aufzukaufen und Vertrauen<br />

zu schaffen. Die Bundesregierung richtet den<br />

Finanzmarktstabilisierungsfonds mit 480 Mrd. €<br />

ein. Großbritannien beginnt Banken zu verstaatlichen.<br />

Zusehends trifft die Finanzmarktkrise auch<br />

die Realwirtschaft. Die Wachstumsprognosen für<br />

2009 werden auf breiter Front reduziert.<br />

Mit der Errichtung des Finanzmarktstabilisierungsfonds<br />

hat die Bundesregierung im Verbund mit<br />

den Partnern der Eurozone schnell und insgesamt<br />

sachgerecht gehandelt, um dem Vertrauensverlust<br />

auf den Finanzmärkten zügig und effektiv<br />

entgegenzutreten. Inzwischen zeigen sich erste<br />

Zeichen für eine Stabilisierung.<br />

Weltwirtschaft auf dem Weg<br />

in die Rezession<br />

Die US-Wirtschaft ist von der Finanzmarktkrise in<br />

eine Rezession getrieben worden. Not leidet dort<br />

nicht nur der Bau- und Immobiliensektor. Auch<br />

die Dynamik des privaten Konsums droht durch<br />

steigende Arbeitslosigkeit und heraufgesetzte<br />

Kreditstandards – höhere Bonitätsanforderungen<br />

und Zinsen – abgewürgt zu werden. Nach der<br />

Hypothekenkrise droht nun eine Kreditkartenkrise.<br />

Zugleich kämpfen die US-Automobilhersteller<br />

ums Überleben. Ausgehend von den USA geraten<br />

auch wichtige andere Länder der OECD und der<br />

Welthandel insgesamt in eine Rezession.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Volkswirtschaft 153

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!