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Geschäftsbericht 2008

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tergrund der Entsenderichtlinie und der Dienstleistungsfreiheit<br />

keine Rechtfertigung für die Verpflichtung<br />

zur Einhaltung von Tariflöhnen.<br />

EuGH begrenzt die Ausübung<br />

kollektiver Rechte<br />

Der EuGH hat in zwei wichtigen Entscheidungen<br />

(EuGH vom 11. Dezember 2007, C-348 / 95, „Viking“,<br />

und vom 18. Dezember 2007, C-341/05<br />

„Laval“) zur Ausübung kollektiver Rechte bei<br />

grenzüberschreitenden Sachverhalten Stellung<br />

genommen. In beiden Fällen wurden zwar die<br />

kollektiven Rechte der Gewerkschaften als europäisches<br />

Grundrecht anerkannt. Zugleich hat der<br />

EuGH aber auch dessen Schranken aufgezeigt:<br />

Wird durch kollektive Maßnahmen in Grundfreiheiten<br />

eingegriffen – z. B. in die Niederlassungsund<br />

die Dienstleistungsfreiheit –, muss dieser Eingriff<br />

gerechtfertigt sein.<br />

In der Rechtssache „Viking“ wollte die finnische<br />

Fährgesellschaft Viking Line die zwischen<br />

Finnland und Estland verkehrende Fähre „Rosella“<br />

in Estland registrieren lassen, um eine estnische<br />

Besatzung beschäftigten zu können. Darauf reagierte<br />

die finnische Seemannsgewerkschaft mit einer<br />

kollektiven Maßnahme. Der EuGH entschied:<br />

Werde die kollektive Maßnahme gegenüber einem<br />

Unternehmen mit dem Zweck betrieben, dieses<br />

zum Abschluss eines Tarifvertrages zu veranlassen,<br />

dessen Inhalt geeignet ist, das Unternehmen<br />

davon abzuhalten, von seiner Niederlassungsfreiheit<br />

Gebrauch zu machen, unterfalle dies dem<br />

Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit.<br />

Damit erkennt der Gerichtshof zugleich an, dass<br />

die Niederlassungsfreiheit auch einem privaten<br />

Unternehmen Rechte verleiht, auf die es sich<br />

gegenüber einer Gewerkschaft berufen kann. In<br />

der Rechtssache „Laval“ hatte die schwedische<br />

Tochter einer lettischen Baufirma den Auftrag zu<br />

einem Schulausbau in Schweden erhalten und<br />

entsandte Arbeitnehmer aus Lettland. Laval hatte<br />

einen Tarifvertrag mit der lettischen Bauarbeitergewerkschaft<br />

abgeschlossen. Die schwedische Bauarbeitergewerkschaft<br />

ergriff hiergegen kollektive<br />

Maßnahmen in Form einer Baustellenblockade.<br />

Im Ergebnis stellte der EuGH einen Verstoß gegen<br />

die Entsenderichtlinie (Richtlinie 96/71/EG) und<br />

die Dienstleistungsfreiheit (Artikel 49 EG) fest. Den<br />

Baustellenboykott sah der EuGH als Beschränkung<br />

der Dienstleistungsfreiheit an, da eine solche<br />

Maßnahme geeignet sei, für ausländische Unternehmen<br />

die Durchführung von Bauarbeiten in<br />

Schweden weniger attraktiv zu machen oder gar<br />

zu erschweren. Ein Unternehmen könne allerdings<br />

nicht gezwungen werden, über das aus der Entsenderichtlinie<br />

folgende Maß hinaus Arbeits- und<br />

Beschäftigungsbedingungen zu gewährleisten, wie<br />

es im vorliegenden Fall aber die Forderung der Gewerkschaft<br />

war. Beide Entscheidungen haben keine<br />

unmittelbaren Auswirkungen auf das deutsche<br />

Recht, sie geben den Unternehmen aber mehr<br />

Sicherheit: Diese dürfen bei grenzüberschreitenden<br />

Aktivitäten auch von Gewerkschaften<br />

nicht zur Einhaltung nationaler Besonderheiten<br />

gezwungen werden, die über das sich aus der<br />

Entsenderichtlinie ergebende Maß hinausgehen.<br />

Allgemeinverbindlicherklärung als<br />

Ausnahmeinstrument erhalten<br />

Die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen,<br />

mit der auch nicht tarifgebundene Arbeitgeber<br />

und Arbeitnehmer gesetzlich verpflichtet<br />

werden, einen Tarifvertrag anzuwenden, muss<br />

die Ausnahme in dem durch die Koalitionsfreiheit<br />

geprägten Tarifvertragssystem bleiben. Denn zur<br />

Koalitionsfreiheit gehört auch das Recht, Koalitionen<br />

fernzubleiben und auf die Anwendung von<br />

Tarifverträgen zu verzichten. Nur im Wettbewerb<br />

um die beste Tariflösung können notwendige Reformen<br />

der Tarifverträge vorangebracht werden.<br />

Durch die Koordinierung der Tarifausschüsse auf<br />

Landesebene konnte der Ausnahmecharakter der<br />

Allgemeinverbindlicherklärung, der zuletzt im Mindestlohnbeschluss<br />

des BDA-Präsidiums vom 20.<br />

April 2007 bestätigt wurde, gestärkt werden. Darin<br />

hatte die BDA nochmals die Voraussetzungen<br />

dargelegt, unter denen ein Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung<br />

von tariflichen Mindestlöhnen<br />

die Zustimmung der Arbeitgebervertreter im Tarifausschuss<br />

finden kann. Dazu gehört insbesondere,<br />

dass es sich grundsätzlich um die unterste<br />

Lohngruppe handelt und keine konkurrierenden<br />

Tarifverträge verdrängt werden.<br />

Die BDA hat zu diesem Thema den kompakt<br />

„Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen“<br />

veröffentlicht.<br />

BDA | <strong>Geschäftsbericht</strong> <strong>2008</strong> | Tarifpolitik 89

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