Kinder & Jugend
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103 Entwicklungen in den Handlungsfeldern der <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>hilfe<br />
auch für junge Menschen von Unsicherheiten, dem Infragestellen<br />
hergebrachter Werte und Haltungen und dem<br />
Erodieren von klassischen Orientierungsmustern verbunden<br />
ist.<br />
16.4 Zur Rolle der <strong>Jugend</strong>arbeit in den<br />
<strong>Jugend</strong>ämtern<br />
Die örtlichen öffentlichen Träger der <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>hilfe<br />
sind nicht nur Zuwendungsgeber für die <strong>Kinder</strong>- und<br />
<strong>Jugend</strong>arbeit. Sie sind darüber hinaus auch selbst Träger<br />
von Einrichtungen und Initiatoren bzw. Impulsgeber für<br />
neue Entwicklungen. Darüber hinaus haben sie auch<br />
die klassische Aufgabe, nicht nur die Träger zu fördern,<br />
sondern im Rahmen der kommunalen <strong>Jugend</strong>hilfeplanung<br />
(§ 80 SGB VIII) und vor allem in der Wahrnehmung der<br />
Gesamtverantwortung eine Gewährleistungspflicht, für<br />
eine bedarfsgerechte Infrastruktur rechtzeitig und ausreichend<br />
Sorge zu tragen (§ 79 SGB VIII). Ihre Funktion bei<br />
der Ausgestaltung der <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>arbeit ist also<br />
auf mehreren Ebenen und mit unterschiedlichen Verantwortungs-<br />
bzw. Verpflichtungsgraden angesiedelt. Es ist<br />
daher von besonderer Bedeutung, wie die <strong>Jugend</strong>ämter<br />
diese Aufgabe erfüllen.<br />
Die Daten der amtlichen <strong>Jugend</strong>hilfestatistik geben nur bedingt<br />
Auskunft und konzentrieren sich eher auf die Förderung<br />
der Träger. Eine systematische Aufarbeitung der Praxis<br />
der <strong>Jugend</strong>ämter in diesem Feld existiert nicht. Dabei<br />
nehmen die <strong>Jugend</strong>ämter die Aufgaben auf zwei Ebenen<br />
wahr: Zum einen sind sie als Ansprechpartner von <strong>Kinder</strong>n<br />
und <strong>Jugend</strong>lichen ebenso tätig wie in der Beratung der<br />
Träger und Fachkräfte im örtlichen Spektrum der <strong>Kinder</strong>und<br />
<strong>Jugend</strong>arbeit. Zum anderen fungieren sie selbst als<br />
Träger von Einrichtungen z. B. der Offenen <strong>Jugend</strong>arbeit.<br />
So verfügen die Kommunen in NRW gegenwärtig über<br />
rund 600 lokale Einrichtungen wie z. B. <strong>Jugend</strong>zentren.<br />
Außerdem führen die <strong>Jugend</strong>ämter Sonderprojekte durch<br />
und entwickeln für die Offene <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>arbeit<br />
(und da, wo sie Träger von <strong>Jugend</strong>kunstschulen sind, auch<br />
für die kulturelle <strong>Jugend</strong>bildung) Konzeptionen zur Anpassung<br />
der Infrastruktur an aktuelle fachliche Erfordernisse<br />
– wie zum Beispiel gegenwärtig mit Blick auf die Zuwanderung<br />
junger Flüchtlinge. <strong>Jugend</strong>ämter organisieren oder<br />
vermitteln zudem <strong>Jugend</strong>freizeiten, <strong>Jugend</strong>kulturarbeit und<br />
außerschulische Bildungsangebote, führen Projekte der<br />
Partizipation von <strong>Kinder</strong>n und <strong>Jugend</strong>lichen durch und engagieren<br />
sich im Bereich der Spielplatzpädagogik u. a. m.<br />
Im Rahmen der <strong>Jugend</strong>hilfeplanung entwickeln sie schließlich<br />
fachliche Strategien zur Ausgestaltung der <strong>Kinder</strong>- und<br />
<strong>Jugend</strong>arbeit, die in den kommunalen <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>förderplänen<br />
abgebildet werden. In verschiedene Phasen<br />
der <strong>Jugend</strong>hilfeplanung wird dabei die Beteiligung junger<br />
Menschen und/oder die Berücksichtigung ihrer Lebenslagen<br />
und Bedürfnisse integriert (vgl. Liebig 2016).<br />
Im <strong>Jugend</strong>amt ist bis heute die klassische Funktion der<br />
kommunalen <strong>Jugend</strong>pflege oder <strong>Jugend</strong>förderung die<br />
Schlüsselposition für die kommunale <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>arbeit.<br />
In Ballungsräumen, vor allem in den Großstädten,<br />
finden sich außerdem noch bezirkliche <strong>Jugend</strong>pflegerinnen<br />
und -pfleger. Sie sind auch Anlaufstellen und Koordination<br />
für die Belange der Träger der <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>arbeit<br />
und vor allem der <strong>Kinder</strong> und <strong>Jugend</strong>lichen selbst. Die<br />
Koordinatorinnen und Koordinatoren sind für die Verwaltung<br />
„Seismographen“ für die Interessen, Bedürfnisse und<br />
Belange von <strong>Kinder</strong>n und <strong>Jugend</strong>lichen.<br />
Vor Ort stellen sich für die <strong>Jugend</strong>ämter spezifische<br />
Aufgaben, die sowohl hinsichtlich der Kosten als auch<br />
des Aufwandes zu Bedeutungsunterschieden von Arbeitsfeldern<br />
in der Struktur eines <strong>Jugend</strong>amtes führen. Dort<br />
nehmen die Bereiche <strong>Kinder</strong>tagesbetreuung sowie Hilfen<br />
zur Erziehung eigentlich immer eine stark hervorgehobene<br />
Bedeutung ein. Für die <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>arbeit<br />
vor Ort stellt sich somit häufig die Aufgabe, sichtbar zu<br />
bleiben – oder es wieder zu werden – und ihre berechtigten<br />
Geltungsansprüche verstärkt ins Gespräch zu bringen.<br />
Gerade weil sie nicht durch Rechtsansprüche mit hoher<br />
Normdichte abgesichert ist, gilt sie in den Kommunen nicht<br />
durchgehend als eine Leistung, die nach pflichtgemäßem<br />
Ermessen und auf der Grundlage einer vorher durchzuführenden<br />
<strong>Jugend</strong>hilfeplanung erbracht werden muss. Denn<br />
bei der Förderung der <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>arbeit nach § 11<br />
SGB VIII handelt es sich um eine „objektiv-rechtliche Verpflichtung<br />
des Trägers der öffentlichen <strong>Jugend</strong>hilfe“ (DBJR<br />
2013, S.7), also des <strong>Jugend</strong>amtes, aus der sich allerdings<br />
kein individueller Anspruch eines jungen Menschen auf ein<br />
bestimmtes Angebot der <strong>Jugend</strong>arbeit ableiten lässt. Das<br />
<strong>Jugend</strong>amt muss vielmehr im Rahmen seiner <strong>Jugend</strong>hilfeplanung<br />
ermessen, welche Dienste, Einrichtungen<br />
oder Veranstaltungen erforderlich und geeignet sind. Die<br />
Pflichtaufgabe ist dann erfüllt, wenn die notwendigen Einrichtungen<br />
oder Dienste bedarfsgerecht vorhanden sind<br />
(vgl. ebd., S.10).<br />
Andererseits muss die <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>arbeit sich<br />
auch der Thematik stellen, dass sie sich nicht allein auf<br />
die klassischen Formen und Einrichtungen begrenzen<br />
darf, sondern sich immer auch weiterentwickeln oder „neu<br />
erfinden“ muss. So dürfen auch Regeleinrichtungen wie<br />
die Schulen bis hin zu attraktiven kommerziellen Orten<br />
nicht von ihr ausgeblendet werden. Für sie gilt es vielmehr,<br />
mit besonderer Sensibilität auf die „Laufwege“ von <strong>Kinder</strong>n<br />
und <strong>Jugend</strong>lichen in einer Stadt zu achten, von ihren<br />
Interessen zu wissen und auch Projekte zu entwerfen<br />
und durchzuführen, die <strong>Kinder</strong> und <strong>Jugend</strong>liche dort mit