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Kinder & Jugend

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168 10. <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>bericht der Landesregierung Nordrhein-Westfalen<br />

Aus der Sicht der Landesregierung ist es nachvollziehbar,<br />

wenn Kommunen ihre finanzielle Belastung mit großer<br />

Sorge sehen. Die Kostensteigerung auf immerhin rund 2,3<br />

Mrd. EUR im Jahre 2014 ist so erheblich, dass einzelne<br />

Kommunen an die Grenzen der Finanzierbarkeit stoßen,<br />

zumal weitere Zunahmen bei den Leistungen möglich<br />

bzw. erwartbar sind. Zugleich gibt es in den <strong>Jugend</strong>ämtern<br />

in NRW seit Jahren eine ebenso fachliche wie monetäre<br />

Überprüfung der Hilfegewährung. Auch die Rechnungsund<br />

Gemeindeprüfungsämter wurden aufgefordert, Überlegungen<br />

zu möglichen „Verschlankungen“ der Hilfestrukturen<br />

anzustellen.<br />

Auch die Landesregierung sieht, dass sich angesichts des<br />

erheblichen Ausbaus präventiver Ansätze im Sozialraum,<br />

des flächendeckenden Ausbaus der Frühen Hilfen, der<br />

frühen Bildung sowie der offenen Ganztagsschulen im<br />

Primarbereich durchaus die Frage nach den Verbindungen<br />

zwischen diesen Ansätzen und Angeboten und den Hilfen<br />

zur Erziehung stellt. Für die Landesregierung steht jedoch<br />

nicht im Fokus, den Rechtsanspruch nach § 27 SGB VIII<br />

zu relativieren, sondern es geht – wie die <strong>Jugend</strong>- und<br />

Familienministerkonferenz zu Recht formuliert – um eine<br />

neue Steuerung der Hilfen zur Erziehung insbesondere<br />

unter Berücksichtigung der Schnittstellen zwischen den<br />

verschiedenen Angeboten in anderen Institutionen der<br />

Bildung, Erziehung und Betreuung. Eine Sozialraumorientierung<br />

kann hingegen keinesfalls als Alternative zu den erforderlichen<br />

spezifischen Einzelfallhilfen gesehen werden.<br />

Bei den Hilfen zur Erziehung steht im Vordergrund, der<br />

Familie unmittelbar zu helfen und mit der besonderen<br />

Hilfeplanung einen Prozess in Gang zu setzen, der von<br />

allen Beteiligten bewältigt werden kann. Insofern besteht<br />

zwischen Sozialraumorientierung und den Hilfen kein<br />

Gegensatz, sondern eine sinnvolle fachliche, aber auch<br />

eine strategische Verbindung. Denn es geht sowohl um<br />

die frühe Prävention und positive Begleitung des Aufwachsens<br />

junger Menschen, als auch um die individuelle<br />

Hilfe im Rahmen des Hilfekanons des SGB VIII. Von den<br />

Fachkräften im Allgemeinen Sozialen Dienst erfordert dies,<br />

den Blick auf die Institutionen im Wohnumfeld zu richten<br />

und bei den bereits dort vorhandenen Hilfemöglichkeiten<br />

anzusetzen.<br />

Exkurs: Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren<br />

Die Diskussion um die Situation der Heimerziehung in<br />

den 50er und 60er Jahren bewegt die Landespolitik seit<br />

2010, denn auch in Heimen in NRW wurden <strong>Kinder</strong> und<br />

<strong>Jugend</strong>liche misshandelt und es wurde gegen grundsätzliche<br />

pädagogische Prinzipien und das Kindeswohl verstoßen.<br />

Betroffen davon waren Einrichtungen in öffentlicher<br />

und in freier Trägerschaft. Die Landesregierung und die<br />

Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe<br />

haben das Thema offensiv aufgegriffen. Die Landschaftsverbände<br />

haben mit den Betroffenen – und unter Einbezug<br />

der Einrichtungen – Veranstaltungen und Diskussionen<br />

durchgeführt, um die Problematik aufzuarbeiten.<br />

Die Landesregierung begrüßt, dass die betroffenen Träger<br />

bzw. ihre Nachfolgeeinrichtungen die Vorkommnisse inzwischen<br />

auch wissenschaftlich aufgearbeitet haben bzw.<br />

noch immer aufarbeiten. Beispielhaft zu nennen sind die<br />

Bemühungen der Kirchen und der Landschaftsverbände<br />

Rheinland und Westfalen-Lippe. Vielen <strong>Kinder</strong>n und <strong>Jugend</strong>lichen<br />

ist Leid zugefügt worden, dessen Folgen bis in<br />

die Gegenwart reichen. Nordrhein-Westfalen hat sich von<br />

Beginn an maßgeblich am Zustandekommen und an der<br />

Durchführung des Runden Tisches „Heimerziehung in den<br />

50er und 60er Jahren“ beteiligt.<br />

Die im Abschlussbericht des Runden Tisches im Dezember<br />

2010 formulierten Vorschläge wurden offensiv aufgegriffen.<br />

Außerdem wurde ein Fonds mit Mitteln in Höhe von<br />

zunächst 120 Mio. EUR ausgestattet, aus dem die Kosten<br />

für die Aufarbeitung und der individuellen Folgen der Misshandlungen<br />

in den Einrichtungen finanziert wurden. Neben<br />

dem Bund und den beiden Kirchen haben sich auch die<br />

Länder auf der Grundlage des Königsteiner Schlüssels<br />

an dem Fond beteiligt. Für das Land NRW bedeutete dies<br />

zunächst, einen Betrag von insgesamt rund 10,8 Mio. EUR<br />

in den Heimkinderfonds einzubringen - wovon drei Mio.<br />

EUR von den beiden Landschaftsverbänden aufgebracht<br />

wurden.<br />

Seit 2010 sind zudem bei den Landesjugendämtern Rheinland<br />

und Westfalen-Lippe Anlauf- und Beratungsstellen<br />

eingerichtet worden, deren Aufgabe es ist, die Betroffenen<br />

bei der Antragstellung zu beraten und als Informationsstelle<br />

zu fungieren. Es lag der Landesregierung sehr daran,<br />

die Hilfen möglichst unbürokratisch zu gestalten und vor<br />

allem auch individuell auszurichten. Denn es zeigt sich in<br />

der Abwicklung, dass jede Betroffene und jeder Betroffene<br />

ein Einzelfall ist, mit eigenen Erfahrungen und erlebten<br />

Formen der Misshandlung. Die Landesregierung begrüßt,<br />

dass sich die Landschaftsverbände hier besonders stark<br />

engagieren und sich nicht allein auf die Bearbeitung von<br />

Ansprüchen der ehemaligen Heimkinder konzentrieren,<br />

sondern vielmehr das Thema aktiv reflektieren und als<br />

wichtige Ansprechpartner für die ehemaligen Heimkinder<br />

bereitstehen.<br />

Insgesamt konnte durch den Fonds nach Daten der beiden<br />

Landesjugendämter ein erheblicher Teil der Betroffenen,<br />

die sich gemeldet haben, unterstützt werden. So haben bis<br />

Dezember 2014 insgesamt rund 4.600 Personen in Nordrhein-Westfalen<br />

einen Antrag auf Unterstützung gestellt.

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