Kinder & Jugend
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55 Der Blick auf die Institutionen der <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>hilfe<br />
und Kreisen, ein <strong>Jugend</strong>amt in der Städteregion Aachen<br />
und 136 <strong>Jugend</strong>ämter in kreisangehörigen Gemeinden.<br />
Kreisangehörige Städte und Gemeinden können auf Antrag<br />
ab einer Einwohnerzahl von 20.000 von der Obersten<br />
Landesjugendbehörde durch Rechtsverordnung zu<br />
örtlichen Trägern der <strong>Jugend</strong>hilfe bestimmt werden. Diese<br />
gesetzgeberische Entscheidung hat viel Kritik hervorgerufen<br />
und die Frage aufgeworfen, ob eine Gemeinde dieser<br />
Größenordnung mit Blick auf die Herausforderungen der<br />
<strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>hilfe in der Lage ist, die fachlichen und<br />
personellen Voraussetzungen für die <strong>Jugend</strong>amtsarbeit<br />
sicherzustellen. Darüber bestehen bis heute unterschiedliche<br />
Einschätzungen.<br />
Die Landesregierung sieht leistungsfähige <strong>Jugend</strong>ämter,<br />
die über das für eine sozialpädagogische Fachbehörde<br />
erforderliche Maß an Spezialisierung verfügen, als eine<br />
bedeutsame Voraussetzung für eine qualitativ hochwertige<br />
<strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>hilfe. Ihre Wirkung kann für den<br />
Lebensalltag der jungen Menschen dann besonders breit<br />
sein, wenn sichergestellt ist, dass <strong>Jugend</strong>ämter über ihre<br />
direkte sozialpädagogische Kompetenz hinausschauen<br />
und Strategien und Planungen entwickeln, wie sie ihrem<br />
in § 1 Abs. 3 SGB VIII normiertem Auftrag lebensweltorientierter<br />
Gestaltungsverantwortung nachkommen können.<br />
<strong>Jugend</strong>ämter zu einem „strategischen Zentrum für die<br />
Belange junger Menschen und ihrer Familien“ zu machen,<br />
wie dies der 14. <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>bericht des Bundes<br />
formuliert (BMFSFJ 2013, S.418), setzt ein ämterübergreifendes<br />
Agieren voraus. Hier gibt es zahlreiche positive Beispiele,<br />
wie sie etwa in der Zusammenführung von Schulentwicklungs-<br />
und <strong>Jugend</strong>hilfeplanung erkennbar sind.<br />
<strong>Jugend</strong>ämter müssen heute ihre Rolle breiter und offener<br />
verstehen, wenn sie sich für ein gelingendes Aufwachsen<br />
aller <strong>Kinder</strong> engagieren. So ist zu betonen, dass dies auch<br />
von der Stadtentwicklung, der Gesundheitsförderung und<br />
der sozialen Rahmung beeinflusst wird. <strong>Jugend</strong>ämter haben<br />
das Mandat und den gesetzlichen Auftrag, die Belange<br />
der jungen Menschen in diese Bereiche einzubringen.<br />
Darüber hinaus führen Weiterentwicklungen und Ausweitungen<br />
der Aufgaben der <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>hilfe dazu,<br />
die Frage danach, wann ein <strong>Jugend</strong>amt als leistungsfähig<br />
zu bewerten ist, stets neu beantworten zu müssen.<br />
Immer wieder geraten <strong>Jugend</strong>ämter in die öffentliche Kritik<br />
(vgl. ausführlich: Enders 2014). Gegenstand der Kritik ist<br />
zumeist der Umgang mit <strong>Kinder</strong>n und ihren Eltern bei der<br />
Herausnahme eines Kindes aus der Familie und seiner<br />
Unterbringung in einer stationären Einrichtung. Diese Kritik<br />
wird entweder verbunden mit dem Vorwurf, die Gefährdung<br />
eines Kindes nicht frühzeitig erkannt zu haben oder<br />
mit genau entgegen gesetzter Kritik, vorschnell in Elternrechte<br />
und Familien einzugreifen. Dabei wird oft verallgemeinernd<br />
eine pauschale Negativ-Einschätzung vermittelt.<br />
Wenngleich die Positivberichterstattung deutlich überwiegt<br />
und auch das Bemühen und die Kompetenz der Ämter<br />
herausgehoben werden, prägen die negativen Darstellungen<br />
den öffentlichen Eindruck. Die Landesregierung sieht<br />
durchaus, dass die Kritik in Einzelfällen berechtigt sein<br />
kann. Eine pauschale Kritik und eine generelle Schuldzuweisung<br />
an die <strong>Jugend</strong>ämter hält sie angesichts der weit<br />
überwiegenden positiven Arbeit der Ämter jedoch keinesfalls<br />
für sachgerecht. Die <strong>Jugend</strong>ämter haben gerade in<br />
den letzten Jahren beim Ausbau der <strong>Kinder</strong>tagesbetreuung,<br />
im <strong>Kinder</strong>schutz und beim Aufbau der Frühen Hilfen<br />
wichtige Arbeit geleistet.<br />
8.4 Landesjugendämter als überörtliche Träger<br />
der öffentlichen <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>hilfe<br />
Die Landesjugendämter sind in Nordrhein-Westfalen den<br />
Landschaftsverbänden Rheinland und Westfalen-Lippe<br />
zugeordnet. Damit sind sie als Selbstverwaltungsbehörden<br />
Teil der „kommunalen Familie“. Dies ist im Vergleich<br />
zu den meisten anderen Bundesländern eine Sonderkonstruktion,<br />
die sich vor allem aus der Geschichte der<br />
Preußischen Staatsverwaltung ableitet. Das <strong>Kinder</strong>- und<br />
<strong>Jugend</strong>hilfegesetz weist den Landesjugendämtern als<br />
überörtlichen Trägern der öffentlichen <strong>Jugend</strong>hilfe besondere<br />
Aufgaben zu, die primär überregionalen Charakter<br />
haben. So haben sie neben umfassenden Beratungsaufgaben<br />
und der Entwicklung von Empfehlungen zur<br />
Erfüllung der Aufgaben der <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>hilfe durch<br />
die <strong>Jugend</strong>ämter und die freien Träger u. a. wichtige<br />
koordinierende Funktionen. Sie sollen fachliche Impulse<br />
für die Praxis z. B. durch Planung, Anregung und Durchführung<br />
von Modellvorhaben geben, die Fortbildung von<br />
Fachkräften in der <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>hilfe sicherstellen<br />
und den Schutz der <strong>Kinder</strong> und <strong>Jugend</strong>lichen in Einrichtungen<br />
wahrnehmen (über die Funktion als Betriebserlaubnis<br />
erteilende Behörden).<br />
Die umfassende sachliche Zuständigkeit, wie sie in § 85<br />
Abs. 2 SGB VIII geregelt ist, macht die Landesjugendämter<br />
zu einem zentralen Partner der Kommunen und der<br />
freien Träger. Zudem übernehmen sie – auf der Grundlage<br />
der im Jahre 1953 vom Landtag verabschiedeten<br />
Landschaftsverbandsordnung – als Bewilligungsbehörden<br />
wichtige Umsetzungsaufgaben zur Bewilligung von Landesmitteln<br />
in Teilbereichen der <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>hilfe. Zu<br />
nennen sind hier in erster Linie der <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>förderplan<br />
des Landes, die Bewilligung der Mittel gemäß dem<br />
<strong>Kinder</strong>bildungsgesetz, der Familienbildung und -beratung<br />
sowie für Sonderprojekte in verschiedenen Feldern und<br />
im letzten Jahrzehnt bei der Investitionsförderung für den<br />
Ausbau der <strong>Kinder</strong>tagesbetreuung.