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Kinder & Jugend

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52 10. <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>bericht der Landesregierung Nordrhein-Westfalen<br />

werden kann. Nicht zuletzt hat das <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>hilfegesetz<br />

(Achtes Buch Sozialgesetzbuch, SGB VIII) von<br />

1990 in § 11 Abs. 3 die <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>arbeit auch unter<br />

dem Aspekt der allgemeinen Förderung aufgenommen<br />

und damit auch die Bildungsanteile der pädagogischen Arbeit<br />

aufgegriffen, die im <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>förderungsgesetz<br />

Nordrhein-Westfalens (3. AG-KJHG NRW) von 2004<br />

– zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. Februar 2014<br />

– landesspezifisch normiert wurden. Dementsprechend<br />

sind u. a. auch die bildungspolitischen Ansätze, die durch<br />

die Akteure und Angebote der <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>hilfe, der<br />

Kultur und des Sport in die Ganztagsschule eingebracht<br />

werden, stark von einem eigenständigen Bildungscharakter<br />

geprägt. Wie groß generell die Bildungsanteile sein<br />

können, zeigt eindrucksvoll die Expertise zu den konzeptionellen<br />

Grundlagen für einen Nationalen Bildungsbericht<br />

(vgl. BMBF 2004).<br />

In den letzten Jahren hat sich dieser Bildungsgedanke verfestigt<br />

und weiter konkretisiert. Die Landesregierung macht<br />

sich dabei insbesondere das vom Bundesjugendkuratorium,<br />

der Arbeitsgemeinschaft für <strong>Jugend</strong>hilfe (AGJ) und der<br />

Sachverständigenkommission des Zwölften <strong>Kinder</strong>- und<br />

<strong>Jugend</strong>berichts auf Bundesebene entwickelte Grundverständnis,<br />

„Bildung ist mehr als Schule“, zu eigen. Bildung<br />

ist danach „der umfassende Prozess der Entwicklung und<br />

Entfaltung derjenigen Fähigkeiten, die Menschen in die<br />

Lage versetzen, zu lernen, Leistungspotentiale zu entwickeln,<br />

zu handeln, Probleme zu lösen und Beziehungen zu<br />

gestalten. Junge Menschen in diesem Sinne zu bilden, ist<br />

nicht alleine Aufgabe der Schule. Gelingende Lebensführung<br />

und soziale Integration bauen auf Bildungsprozesse<br />

in Familien, <strong>Kinder</strong>tageseinrichtungen, <strong>Jugend</strong>arbeit und<br />

der beruflichen Bildung auf“ (Bundesjugendkuratorium<br />

2002).<br />

Zu diesem Verständnis von Bildung gehören – und diese<br />

Auffassung hat sich in den letzten Jahren durchgesetzt –<br />

weit mehr Bildungsorte und Bildungsgelegenheiten als die<br />

Schule, die Institutionen der <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>bildung<br />

und die <strong>Kinder</strong>tageseinrichtungen. Längst werden auch<br />

weitere Bildungsorte in den Blick genommen, in der kulturellen<br />

Bildung beispielsweise. So ist es heute selbstverständlich,<br />

dass pädagogische Arbeit mit <strong>Kinder</strong>n u. a. aus<br />

der Sicht des (sozialräumlichen) Aneignungskonzepts (vgl.<br />

Deinet 2014) als Bildungsarbeit interpretiert wird. Es sind<br />

die Prozesse der Selbstbildung und der Aneignung sowie<br />

der nicht in systematischen Strukturen stattfindenden<br />

Bildungsprozesse, die <strong>Kinder</strong> und <strong>Jugend</strong>liche befähigen,<br />

sich selbst zu entdecken und sich aktiv mit ihrer Umwelt<br />

auseinanderzusetzen. Sie lernen, selbstständig und als<br />

eigenständige Persönlichkeit zu handeln. Es ist jedoch ein<br />

freiwilliges Lernen, das aktiv mitgestaltet wird und es kann<br />

daher allein über positive Rahmenbedingungen gefördert<br />

werden.<br />

7.5 Entgrenzungstendenzen von <strong>Jugend</strong>hilfe mit<br />

Blick auf Partnersysteme<br />

In den zurückliegenden Jahren sind in NRW unterschiedliche<br />

Kooperationsformen entstanden wie z. B. Runde<br />

Tische, die die unterschiedlichen Träger und Institutionen<br />

aus verschiedenen Handlungsfeldern zur Entwicklung von<br />

Handlungskonzepten zusammenführen. Dies z. B. in der<br />

Kriminalitätsprävention durch den Landespräventionsrat,<br />

den Landesarbeitskreis <strong>Jugend</strong>hilfe, Polizei und Schule<br />

NRW, in der Arbeit mit jugendlichen Fußball-Fans durch<br />

das „Nationale Konzept Sport und Sicherheit“, in Fragen<br />

der Bekämpfung von Armut bei <strong>Kinder</strong>n durch den Runden<br />

Tisch “<strong>Kinder</strong> in Not“, etc. Diese Entwicklung bringt es u. a.<br />

auch mit sich, dass die Grenzen zwischen Handlungsfeldern<br />

sich verschieben bzw. durchlässiger werden.<br />

Im Berichtszeitraum hat sich dieser bereits seit längerem<br />

vollziehende Prozess weiter verfestigt. Es lassen sich<br />

zunehmend Entgrenzungstendenzen beobachten, die<br />

einerseits das Leistungsspektrum der <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>hilfe<br />

erweitern, andererseits aber auch dazu führen,<br />

dass jugendhilfespezifische Formen und Methoden von<br />

anderen Bereichen übernommen werden. So sind z. B.<br />

Angebote aus dem Gesundheitssystem, etwa im Rahmen<br />

früher Hilfen und im <strong>Kinder</strong>schutz Beispiele dafür, dass die<br />

Grenzen der <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>hilfe mehr und mehr offen<br />

für solche Entwicklungen werden. Dabei sind spezifische<br />

Methoden und Formen von anderen Feldern aufgegriffen<br />

und – in gewisser Weise – auch als originäre Leistung<br />

besetzt worden. So hat z. B. das Projekt „Kurve kriegen“<br />

des Innenministeriums (NRW-Initiative gegen <strong>Kinder</strong>- und<br />

<strong>Jugend</strong>kriminalität) für sich eine fachliche Eigenständigkeit<br />

entwickelt, die sich aus den sozialpädagogischen Handlungsaspekten<br />

der <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>hilfe speist. Andere<br />

Schnittstellen ergeben sich zu den Bereichen Arbeit und<br />

Soziales.<br />

Diese Entgrenzung der <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>hilfe deutet<br />

darauf hin, dass sich einerseits die klaren Konturen des<br />

Leistungsfeldes <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>hilfe verwischen,<br />

andererseits aber auch, dass sich Handlungslogiken der<br />

<strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>hilfe durchzusetzen vermögen und<br />

somit ein Prozess eingetreten ist, der auch „als eine Art<br />

Export von Denkformen, Handlungsmustern und Strukturmaximen<br />

(...) der <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>hilfe bzw. als eine<br />

latente „Sozialpädagogisierung“ anderer Handlungsfelder“<br />

(BMFSFJ 2013, S.254) bezeichnet werden kann.

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