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Kinder & Jugend

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114 10. <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>bericht der Landesregierung Nordrhein-Westfalen<br />

Streetwork durch ihren direkten Kontakt mit <strong>Kinder</strong>n und<br />

<strong>Jugend</strong>lichen im öffentlichen Raum auf das Erleben von<br />

sozialen Spannungen, Ausgrenzung und Frustrationen<br />

recht unmittelbar reagieren und so Brücken zwischen<br />

<strong>Jugend</strong>lichen und den Hilfesystemen bauen.<br />

18.3 Soziale Arbeit mit jugendlichen Fußballfans<br />

Im Kontext der Offenen und auch der mobilen <strong>Jugend</strong>arbeit<br />

steht die Arbeit mit jugendlichen Fußballfans in<br />

besonderer Weise im Blick der Öffentlichkeit. Damit werden<br />

im Kontext der sozialen Arbeit oftmals gewaltförmige<br />

Auseinandersetzungen zwischen den Fans verschiedener<br />

Vereine und das Abbrennen von Pyrotechnik („Pyros“) in<br />

den Stadien verbunden. Es lassen sich solche manchmal<br />

auch dramatischen Auseinandersetzungen an zahlreichen<br />

Bundesligaspieltagen beobachten, wodurch der allgemeine<br />

Eindruck der Gewaltbereitschaft insbesondere spezifischer<br />

Fanclubs und Ultra-Gruppierungen verstärkt wird.<br />

Fußballfans sind dadurch gekennzeichnet, dass sie in<br />

besonderer Form eine hohe Wertschätzung für „ihren“ Verein<br />

haben und diese auch an den Spieltagen inszenieren.<br />

Dabei greifen sie auf klassische Rituale zurück, denn die<br />

„Handlungen von Fußballfans (sind) überwiegend lebensweltspezifisch<br />

ritualisiert und tradiert“ und werden bereits<br />

im Kindes- und <strong>Jugend</strong>alter angeeignet (Kathöfer/Kotthaus<br />

2014, S.44). Aus jugendpolitischer und <strong>Jugend</strong>arbeitssicht<br />

hat sich die Szene der jungen Fußballfans in den letzten<br />

zehn Jahren stark verändert. Inzwischen handelt es sich<br />

bei dieser um die vielleicht größte jugendkulturelle (Sub-)<br />

Kultur. Sie speist sich aus nahezu allen soziokulturellen<br />

Milieus bzw. sozialen Schichten. Der enge Zusammenhalt,<br />

die dauerhafte Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppierungen<br />

und die Regelmäßigkeit des Treffens und gemeinsamen<br />

Erlebens machen diese Szenen zu einem interessanten<br />

und Erfolg versprechenden Feld für soziale Arbeit<br />

und Bildungsprozesse. Um Fußball als Zugang zu jungen<br />

Menschen jedoch gezielt nutzen zu können, bedarf es<br />

einer genaueren Betrachtung der Rahmenbedingungen für<br />

pädagogisches Handeln in diesem Feld.<br />

Voraussetzung ist dabei, Fans in ihren Organisationsformen<br />

verstehen zu lernen, die Mechanismen und Wirkungen<br />

von gruppenförmigen emotionsgeladenen Reaktionsweisen<br />

zu erfahren und auch damit umgehen zu lernen,<br />

dass der Fußball bzw. der Verein im Alltag eine herausragende<br />

Rolle einnimmt. Zudem ist zu beachten, dass<br />

der Besuch von Sportveranstaltungen – und dies scheint<br />

insbesondere auf den Fußball zuzutreffen – für <strong>Jugend</strong>liche<br />

eine Möglichkeit darstellt, „einen zentralen Fokus ihrer<br />

Aufmerksamkeit zu etablieren (nämlich der Verein, die<br />

Mannschaft, seltener der einzelne Sportler bzw. die Sportlerin)<br />

und über die Auseinandersetzung mit einem fortwährend<br />

auf Leistung und Gewinn ausgerichteten Event<br />

zudem meritokratische Werte zu internalisieren“ (Kathöfer/<br />

Kotthaus 2014, S.37).<br />

Vorliegende Befunde weisen zudem darauf hin, dass die<br />

Orientierung zur Fanszene auch im Zusammenhang damit<br />

steht, dass diese Szene letztlich für den einzelnen Fan<br />

den Bezugsrahmen herstellt, der Sinn und Zugehörigkeit<br />

vermittelt, stilistische Orientierung und Sicherheit offeriert<br />

sowie Handlungs- und Verhaltensmodelle exemplarisch<br />

aufzeigt (Roose, zit. n. ebd., S.43). Die Zuordnung zur<br />

Fanszene ist dabei keinesfalls nur aus einem Milieu erkennbar,<br />

vielmehr scheinen sich „gleichgesinnte <strong>Jugend</strong>liche<br />

aus unterschiedlichen sozialen Milieus, unabhängig<br />

vom Bildungsgrad und ihrer Herkunft zu formieren“ (ebd.,<br />

S.45). Dies auch deshalb, weil man in dieser Szene den<br />

„passgenauen“ Gesinnungsgenossen sucht (Hitzfelder, zit.<br />

n. ebd., S.46). Die Fußballfanszene setzt sich somit sehr<br />

heterogen zusammen und bringt unterschiedliche Verhaltensmuster<br />

mit sich. Das zeigen auch die Zuordnungen zu<br />

unterschiedlichen Gruppen, wie z. B. zu Hooligans/Hools<br />

und Ultras.<br />

Trotz des regelmäßigen Auftretens von Gewaltereignissen<br />

muss der Fanszene insgesamt bescheinigt werden, dass<br />

diese Ereignisse meist in Zusammenhang mit einzelnen<br />

Gruppen auftreten, nicht aber bezogen auf die ganze<br />

Szene. Denn im Kern hat sich die zielgruppenspezifische<br />

soziale Arbeit mit den Fans deutlich ausdifferenziert<br />

und ist längst nicht mehr ausschließlich auf die Abwehr<br />

von Gewalt ausgerichtet. Es lässt sich eine Vielzahl von<br />

Arbeitsfeldern benennen, die sich jeweils auf die Ausgestaltung<br />

der Lebenswelten von Fußballfans beziehen,<br />

einschließlich der individuellen Beratung zur Überwindung<br />

von Krisen und Ansätze der non-formalen Bildung.<br />

Die finanzielle Förderung der sozialen Arbeit mit jugendlichen<br />

Fußballfans ist in Nordrhein-Westfalen seit 1993 die<br />

Regel. Mit dem „Nationalen Konzept Sport und Sicherheit“<br />

von 1998 wurde zwischen dem Deutschen Fußballbund<br />

(DFB) als Vertreter der Vereine, den Ländern und den<br />

Kommunen ein Konzept beschlossen, das insbesondere<br />

darauf abzielt, der Gewaltentwicklung unter den Fans im<br />

Umfeld der Fußballveranstaltungen entgegenzuwirken.<br />

Gemeinsam werden vom DFB/von der Deutschen Fußball<br />

Liga (DFL), den Kommunen und den Ländern sozialpädagogische<br />

Fußball-Fanprojekte in NRW-Ligen unabhängig<br />

gefördert. Die Ausweitung der Förderung, die ursprünglich<br />

auf die 1. und 2. Bundesliga sowie heutige 3. Liga<br />

(ehemalige Regionalligen) beschränkt war, erfolgte auch<br />

durch den Abstieg ehemals förderberechtigter Vereine in<br />

unterklassige Ligen.<br />

Mitte 2016 gab es in Nordrhein-Westfalen 15 Fußballfanprojekte<br />

in Aachen, Bielefeld, Bochum, Duisburg,

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