Kinder & Jugend
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71 Entwicklungen in den Handlungsfeldern der <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>hilfe<br />
die außerfamiliale Betreuung zur Regel wird. Betreuungsquoten<br />
von z. T. weit über 40 Prozent und weiteren Bedarfen<br />
in den Bereichen U3 und OGS sind – vor allem in den<br />
Ballungsräumen in NRW – keine Seltenheit mehr. In NRW<br />
gehört es somit für viele <strong>Kinder</strong> im Alter bis zu zehn Jahren<br />
bereits zur Selbstverständlichkeit, tagsüber in öffentlich<br />
verantworteter Tagesbetreuung gefördert zu werden.<br />
Wenn der 14. <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>bericht des Bundes<br />
(BMFSFJ 2013) von der Selbstverständlichkeit des „Aufwachsens<br />
in öffentlicher Verantwortung“ spricht und damit<br />
vor allem die betreute Kindheit meint, so trifft diese Entwicklung<br />
sicher auch in NRW zu. Deutlich zurückgegangen<br />
ist damit die – dem Anschein nach eher ideologisch<br />
geprägte – Kritik an der zunehmenden Aufenthaltsdauer<br />
von <strong>Kinder</strong>n in öffentlichen Institutionen. Das zeigte zuletzt<br />
auch die Diskussion um das vom Bundesverfassungsgericht<br />
Mitte des Jahres 2015 als verfassungswidrig eingestufte<br />
Betreuungsgeld. In Nordrhein-Westfalen wurde<br />
entschieden, die Mittel in Höhe von insgesamt 431 Millionen<br />
EUR in den <strong>Kinder</strong>gartenjahren 2016/17, 2017/18 und<br />
2018/19 vollumfänglich der frühen Bildung zur Verfügung<br />
zu stellen. Dies trifft auf große Zustimmung. Diese positive<br />
Haltung zur <strong>Kinder</strong>tagesbetreuung gilt auch für die Unternehmen,<br />
die erkannt haben, dass sich ein Engagement für<br />
den Ausbau von betrieblicher <strong>Kinder</strong>tagesbetreuung und<br />
Familienfreundlichkeit rechnet. Dies zeigt sich insbesondere<br />
durch die an der Landesinitiative „Familienfreundliches<br />
Engagement von Unternehmen“ teilnehmenden Betrieben.<br />
Immer wieder wird auch aus bildungsökonomischer Sicht<br />
auf die Bedeutung früher Bildungsinvestitionen hingewiesen.<br />
Dabei wird aufgezeigt, dass frühe Investitionen in die<br />
Bildungsförderung insbesondere bei Familien, in denen<br />
<strong>Kinder</strong> nur wenige Anregungen und Impulse erhalten,<br />
wesentlich zur Bildungsgerechtigkeit beitragen (vgl. Spieß<br />
2014). Die Landesregierung sieht zum einen den Aspekt<br />
der ökonomischen Zukunftsfähigkeit: In der frühen<br />
Kindheit erworbene Kompetenzen sind für den gesamten<br />
Lebenszyklus grundlegend und haben somit auch einen<br />
ökonomischen Stellenwert. Sie sieht in der frühen Bildung<br />
aber zum anderen und vor allem auch, dass <strong>Kinder</strong> gleiche<br />
Chancen erhalten, sich individuell und ihren Stärken<br />
entsprechend zu entwickeln. Will man soziale Ungleichheit<br />
abbauen, muss man damit in frühen Jahren beginnen und<br />
die (Bildungs-)Förderung gerade für benachteiligte <strong>Kinder</strong><br />
intensivieren. Der Landesregierung ist bewusst, dass auch<br />
in den Kommunen und bei den Trägern von <strong>Kinder</strong>tageseinrichtungen<br />
erhebliche Anstrengungen unternommen<br />
werden, in die besondere Förderung dieser <strong>Kinder</strong> zu<br />
investieren.<br />
Aus der Perspektive einer präventiven Sozialpolitik bleibt<br />
das Ziel einer stärkeren Aktivierung der Entwicklungs- und<br />
Bildungspotenziale gerade im frühen Kindesalter durch<br />
eine frühe Beteiligung von <strong>Kinder</strong>n aus anregungsarmen<br />
Milieus ein wichtiger Fokus der Landesregierung. Dazu bedarf<br />
es auch eines Blicks über die <strong>Kinder</strong>tagesbetreuung<br />
hinaus in den Schulbereich hinein. Denn gerade bei den<br />
sozial- oder bildungsbenachteiligten Zielgruppen ist eine<br />
kontinuierliche Förderung unerlässlich.<br />
11.1 Plätze für <strong>Kinder</strong> unter drei Jahren<br />
Mit der Änderung des <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>hilfegesetzes<br />
durch das <strong>Kinder</strong>förderungsgesetz (KiföG, 2009) wurde<br />
der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz in einer<br />
<strong>Kinder</strong>tageseinrichtung oder in der <strong>Kinder</strong>tagespflege ab<br />
Vollendung des ersten Lebensjahres eingeführt. Damit<br />
vollzog die damalige Bunderegierung den bereits von der<br />
Bundesregierung in der Legislaturperiode zuvor mit dem<br />
Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG, 2004) und dem<br />
<strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>hilfeweiterentwicklungsgesetz (KICK,<br />
2005) begonnenen Schritt, die Vereinbarkeit von Familie<br />
und Beruf noch offensiver zu ermöglichen. Entscheidend<br />
dafür war auch die Erkenntnis, dass – beeinflusst durch<br />
die PISA-Studie – <strong>Kinder</strong> möglichst früh in ihrer Entwicklung<br />
gefördert und dies durch den Ausbau der frühen<br />
Bildung möglich werden soll.<br />
Um den notwendigen Ausbau der Plätze für <strong>Kinder</strong><br />
unter drei Jahren mit dem zu diesem Zeitpunkt dringend<br />
notwendigen Engagement voranzutreiben, startete die<br />
Landesregierung 2010 eine große Aufholjagd. Neben der<br />
Bereitstellung erheblicher zusätzlicher Landesmittel setzte<br />
das <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>ministerium NRW im Jahr 2012<br />
eine Projektgruppe ein, die sogenannte U3-Task-Force.<br />
Diese erarbeitete gemeinsam mit den Landesjugendämtern<br />
sowie Vertreterinnen und Vertretern aus dem kommunalen<br />
sowie dem freien Trägerbereich Lösungen, u. a.<br />
zur Überwindung bürokratischer Hürden z. B. bei Bauvorhaben,<br />
bei der Erteilung von Betriebserlaubnissen, etc.<br />
Mit diesem Instrument konnte zügiger und direkter an der<br />
Realisierung neuer U3-Plätze und dem effektiven Einsatz<br />
der zur Verfügung stehenden Bundes- und Landesmittel<br />
gearbeitet werden.<br />
Insbesondere auch die seit dem Jahr 2010 ergriffenen<br />
Maßnahmen haben erheblich dazu beigetragen, dass in<br />
Nordrhein-Westfalen der Rechtsanspruch der ein- und<br />
zweijährigen <strong>Kinder</strong> auf einen Betreuungsplatz, neben<br />
dem seit 1996 geltenden Rechtsanspruch für die <strong>Kinder</strong> ab<br />
drei Jahren, mit Beginn des <strong>Kinder</strong>gartenjahrs 2013/2014<br />
erfolgreich umgesetzt wird. Das bereits 2007 zwischen<br />
Bund, Ländern und Kommunen verabredete Ausbauziel,<br />
im Landesdurchschnitt zunächst rund einem Drittel der Unterdreijährigen<br />
ein bedarfsgerechtes Betreuungsangebot<br />
anbieten zu können (dies entsprach in NRW rund 144.000