Kinder & Jugend
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26 10. <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>bericht der Landesregierung Nordrhein-Westfalen<br />
von einer Risikolage (Erwerbslosigkeit der Eltern, gering<br />
qualifizierte Eltern, Armutsgefährdung) betroffen (ebd.).<br />
Viele Familien mit Migrationshintergrund mit schwachem<br />
sozialem Status haben z. T. hohe Bildungsaspirationen,<br />
können ihre <strong>Kinder</strong> auf einem erfolgreichen Bildungsweg<br />
aber selbst nicht ausreichend unterstützen. Sie wünschen<br />
sich von <strong>Kinder</strong>tageseinrichtungen und Schulen nicht<br />
nur eine intensive Förderung, sondern auch eine engere<br />
Einbindung als Eltern, spezielle Informationsangebote und<br />
mehr interkulturelle Kompetenzen (vgl. Barz/Barth u.a.<br />
2015). Auch wenn sich hier (insbesondere in den <strong>Kinder</strong>tageseinrichtungen)<br />
bereits vieles verbessert hat, bleibt dies<br />
eine Entwicklungsaufgabe für viele Schulen und auch die<br />
Einrichtungen der <strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>hilfe. Eine bedarfsgerechte<br />
Förderung von <strong>Kinder</strong>n und <strong>Jugend</strong>lichen kann<br />
ihre Chancen auf eine soziale und berufliche Perspektive<br />
verbessern, dies auch durch Angebote und Leistungen der<br />
<strong>Kinder</strong>- und <strong>Jugend</strong>hilfe. Sie ist vor allem deshalb bedeutsam,<br />
um – wie bei autochthonen deutschen <strong>Kinder</strong>n, die in<br />
prekären Verhältnissen aufwachsen – Brüche und Scheitern<br />
in der Bildungsbiografie vermeiden zu helfen. Darüber<br />
hinaus braucht es gesamtgesellschaftlich noch mehr<br />
interkulturelle Öffnung und Verständigung (s. Kap. 4.7).<br />
2.7 <strong>Kinder</strong>rechte sind Menschenrechte: Mehr als<br />
eine Verfassungsfrage<br />
Seit Anfang der 1990er Jahre wird um die Aufnahme der<br />
<strong>Kinder</strong>rechte in das Grundgesetz gerungen. NRW hat<br />
diesen Schritt bereits im Jahre 2002 vollzogen und die<br />
<strong>Kinder</strong>rechte in die Landesverfassung aufgenommen. Ziel<br />
war und ist, jedem Kind ein Recht auf Achtung seiner Würde,<br />
Entwicklung als eigenständige Persönlichkeit und auf<br />
besonderen Schutz von Staat und Gesellschaft zu geben<br />
(Art. 6 Abs. 1 und 2 Landesverfassung NRW). Am 14. April<br />
2014 trat zudem das Zusatzprotokoll zur UN-<strong>Kinder</strong>rechtskonvention<br />
in Kraft, das ein Individualbeschwerdeverfahren<br />
für <strong>Kinder</strong> und <strong>Jugend</strong>liche insofern regelt, als nun<br />
<strong>Kinder</strong> und <strong>Jugend</strong>liche selbst die Verletzung ihrer Rechte<br />
geltend machen können. Wenngleich diese Möglichkeit<br />
nur für bestimmte Bereiche gilt, ist sie ein weiterer Schritt<br />
für die Realisierung der <strong>Kinder</strong>rechte und vor allem hinsichtlich<br />
der Beachtung von Rechten der <strong>Kinder</strong> und ihrer<br />
gesellschaftlichen Stellung.<br />
<strong>Kinder</strong> sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts<br />
selbst Träger subjektiver Rechte sowie<br />
Wesen mit eigener Menschenwürde und einem eigenen<br />
Recht auf Entfaltung ihrer Persönlichkeit (BVerfG vom<br />
29. Juli 1968, BVerfG 24, 119). Dies kommt in der derzeitigen<br />
Fassung des Grundgesetzes allerdings nicht<br />
deutlich genug zum Ausdruck. Das Elternrecht ist nach<br />
dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 2 und 3 GG mit einer starken<br />
Rechtsstellung versehen; <strong>Kinder</strong> sind als Objekt der Erziehung<br />
und Pflege der Eltern genannt. Die Folge ist, dass<br />
staatliche Stellen oftmals den Elternrechten reflexartig<br />
Vorrang vor den <strong>Kinder</strong>rechten einräumen.<br />
Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat in den<br />
vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen,<br />
um die Rechte der <strong>Kinder</strong> in möglichst vielen Lebensbereichen<br />
zu stärken und sie in ihrer Entwicklung zu fördern.<br />
Das gilt auch für die Kommunen in NRW. Insbesondere<br />
die Förderung von <strong>Kinder</strong>n und <strong>Jugend</strong>lichen ist in den<br />
letzten Jahren für viele Kommunen zum Leitmotiv ihrer<br />
Politik geworden. Dazu gehören Maßnahmen der frühzeitigen<br />
Prävention und Unterstützung, der Schutz von<br />
<strong>Kinder</strong>n und <strong>Jugend</strong>lichen vor Gewalt, Missbrauch und<br />
Vernachlässigung sowie ihre Förderung im Bereich der<br />
frühen Bildung.<br />
Gleichwohl ist festzustellen, dass die vom Bundesverfassungsgericht<br />
bestätigte starke Subjektstellung von <strong>Kinder</strong>n<br />
zwar einem veränderten gesellschaftlichen Verständnis<br />
entspricht, sich dies jedoch nicht immer im Umgang der<br />
Erwachsenen und der Systeme mit <strong>Kinder</strong>n niederschlägt.<br />
Hier ist auch zukünftig noch viel Überzeugungsarbeit zu<br />
leisten. Eine Aufnahme der <strong>Kinder</strong>rechte in das Grundgesetz<br />
könnte diese Perspektiven deutlich beschleunigen.<br />
Die Landesregierung tritt daher weiterhin dafür ein, dieses<br />
auch zu realisieren.<br />
3. Die Familie: Zentraler Ort des<br />
Aufwachsens<br />
Die Familie und ihre Stellung in der Gesellschaft werden<br />
im Familienbericht der Landesregierung NRW „Familien<br />
gestalten Zukunft“ dargestellt (MFKJKS 2015). Daher wird<br />
auf die Familie als Ort des Aufwachsens von <strong>Kinder</strong>n und<br />
<strong>Jugend</strong>lichen in diesem Bericht nur kurz eingegangen. Aus<br />
der Sicht der <strong>Kinder</strong> und <strong>Jugend</strong>lichen sind dabei einige<br />
Aspekte von besonderer Bedeutung, weil sie die Familie<br />
aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Diese sollen<br />
hier näher beleuchtet werden.<br />
Auch heute noch ist die Familie der Ort, an dem <strong>Kinder</strong><br />
aufwachsen und sich persönliches Glück realisiert. Für<br />
<strong>Kinder</strong> und <strong>Jugend</strong>liche ist sie ein Ort der Emotionalität,<br />
des Vertrauens, der Bildung und Förderung. Der Blick auf<br />
die Familie zeigt: Familie hat sich in vielfacher Sicht verändert.<br />
Sicher ist das Prinzip der Ehe/Partnerschaft und des<br />
Zusammenlebens mit <strong>Kinder</strong>n auch heute noch das bestimmende<br />
Merkmal (s. Kap. 2.1). Familie wird heute auch<br />
bestimmt von weniger <strong>Kinder</strong>n, von neuen Formen des<br />
Zusammenlebens, von mehr Patchwork-Konstruktionen