Ingeln - Die Chroniken
Eine Zusammenfassung und Ergänzung aller Chroniken für den Ortsteil Ingeln in der Stadt Laatzen.
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Kriegsende: Freitag, 6. April 1945
Von Helene Ebeling
errliches Wetter, Kirschen und Zwetschen in voller Blüte. Am 5. April kam ein großer Trupp russischer
Gefangener in Begleitung eines Offiziers auf dem Weg nach Mecklenheide. Die Amerikaner waren
im Anmarsch von Nordstemmen. Die ganze Nacht hing der Offizier am Telefon, wir hörten natürlich mit.
Aber die Panzer rollten erst am nächsten Tag. Wir hatten die meiste Zeit im Bunker verbracht. Reps, der
Melker, wagte sich als Erster raus, die Kühe mussten gemolken werden. Auf dem Bruchkamp waren jede
Menge amerikanische Panzer aufgefahren und schossen über uns hinweg Richtung Müllingen – Wassel.
Dabei sind 29 Menschen aus dem Volkssturm gefallen, unter denen sich auch zehn Hitlerjungen befanden.
Sie versuchten die Brücke über den Kanal zu versperren. Otto Meier hatte eine weiße Fahne (Bettlaken)
gehisst.
Beim Einmarsch der Amerikaner in Ingeln geschah sonst nichts. Als Erster kam ein Ami zu uns ins Haus
und fragte nach Waffen. Nachdem er sich an Spiegeleiern satt gegessen hatte, nahm er die Jagdgewehre
mit, bis auf eines, welches ich vergraben hatte. Dann kam der Bescheid, die vorderen Zimmer im Haus zu
räumen, dort sollten Verwundete untergebracht werden. Die vergrabene Waffe war nach Jahren, als sie
ausgegraben werden konnte, natürlich nicht mehr zu gebrauchen.
Mit den Amerikanern kamen auch polnische Soldaten, die mit den Polen, die bei uns beschäftigt waren,
Siegesfeste feierten mit viel Alkohol. Obwohl wir mit unseren polnischen Arbeitern gut ausgekommen
waren, hatte wir Angst, dass es durch den Alkoholkonsum zu Übergriffen kommen konnte. Bei uns ist
nichts passiert, an anderen Stellen war es zu Ausschreitungen gekommen. Eine polnische Familie verließ
uns sehr schnell. Ebenfalls die Gefangenen (ein Pole, ein Serbe). Eine Polin blieb noch und heiratete. Die
Hochzeit haben wir mit gefeiert.
Dann kamen die Flüchtlinge. Schon während des Krieges waren Ausgebombte aus Hannover ein paar
Wochen bei uns einquartiert, blieben aber nicht, weil es nahe Hannover gefährlich war. Im März kamen
die Vertriebenen aus dem Osten, die rechtzeitig geflüchtet waren und nach Kriegsende weitere
Flüchtlinge. Jedes leere Zimmer wurde beschlagnahmt. Alte Möbel, Bettstellen, alles wurde gebraucht. In
unserem Haus Nr. 25 (ehemaliges Altersheim) wohnten wir mit 28 Personen. Im alten Haus auf unserer
Hofstelle Nr. 26 waren 23 Personen untergebracht. Anfangs mussten sechs Familien mit einem Herd
auskommen, ein unmöglicher Zustand. Ein Bekannter von uns sorgte dafür, dass alle einen kleinen Herd
ins Zimmer bekamen.
Die allgemeine Versorgung mit Lebensmitteln, vor allem in den Städten, war schlecht. Vieh musste
abgegeben werden und es wurde viel gestohlen von den Weiden und aus dem Stall. Um uns vor
Schweinediebstahl zu schützen, war eine Alarmanlage eingebaut, im Stall ringsherum Drähte mit
Bananensteckern zusammengehalten. Aber auch die Schweine lösten Alarm aus, wenn sie die Verbindung
unterbrachen. Es wurde Wache geschoben, trotzdem wurde immer wieder gestohlen. Fast täglich kamen
Leute, die bettelten oder etwas zum Tausch anboten.
Wo die russischen Gefangenen geblieben sind, weiß ich nicht. Einer ihrer Aufseher zog seine Uniform aus
(sie wurde in einem Kornhaufen versteckt) und blieb bei uns, natürlich nicht lange. Er wurde abgeholt und
kam in ein Lager im Westen. In demselben Lager (Senne) war Otto Wehner gelandet, der nach seiner
Entlassung nach Ingeln zurückkehrte.
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