Ingeln - Die Chroniken
Eine Zusammenfassung und Ergänzung aller Chroniken für den Ortsteil Ingeln in der Stadt Laatzen.
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8. Im Norden, den 15.5.42
Sehr geehrter Herr Borchers!
Im Geiste sehe ich meine Heimat im Frühlingskleid, während hier bei uns noch Schnee- und Regenschauer
in schneller Folge wechseln.
Ende April war es schon sehr warm, aber jetzt ist es wieder kalt geworden. Tag für Tag müssen wir noch
tüchtig heizen. Trotzdem sind wir alle froher Laune. Die Tage werden hier schon länger. Ich kann mich gar
nicht daran gewöhnen. Vor allem komme ich mit der Uhrzeit nicht klar. Oft kommt es vor, daß ich
annehme, es sei 20 Uhr, wenn es in Wirklichkeit schon 22 Uhr 30 ist. Kameraden, die schon länger in
Norwegen sind und schon einen dieser komischen Sommer mitgemacht haben, erzählen, daß sie oft des
Nachts um ein Uhr aufgestanden sind und eine Stunde Fußball gespielt, weil sie nicht einschlafen konnten.
Das kann ja heiter werden.
Die allgemeine Lage ist hier dieselbe wie bei meiner Rückkehr vom Urlaub. Der Amerikaner hat ja einen
Versuch unternommen, in Spitzbergen Truppen zu landen. Er hat sein Vorhaben aber schnell aufgeben
müssen, nachdem unsere Luftwaffe ihm einen gehörigen Denkzettel erteilt hat. Somit hat sich wieder
einmalerwiesen, daß dort, wo der deutsche Soldat steht, kein anderer Soldat hinkommt.
Mit den besten Grüßen an Sie und Ihre Frau verbleibt Ihr Heinrich Blumenthal.
9. Im Osten, am 21. Juni 1942.
Liebe Familie Borchers!
Das ist die rechte Zeit, einmal einen Gruß in die Heimat zu schicken. Schon Tage hindurch das gleiche
Wetter: Einer regenschweren Nacht folgt die herrliche Geburt eines neuen Tages mit strahlender Sonne
und schillerndem Himmel. Es währt aber nicht lange, da blasen die Winde helle Wolken vom Westen her
zu uns und bald ist aus einem sonnigen Morgen ein träger Tag geworden, in dem sich Regenschauer und
zerfetze Wolkengebilde sich ablösen. Wenn es dann soweit ist, ziehen wir uns in unser Zelt zurück. Oh,
daß Ihr nicht denkt, solcher Zustand ähnele dem einer Verbannung. Uns kann das Wetter garnichts
anhaben. Unser Zelt ist unser Heim. Einen halben Meter unter der Erde mit Bretterfußboden (bei uns aus
Parkett) und Holzverschalung der Wände, vor der Tür einen kleinen Wald mit Rasenbatzen und einen
feinen wuscheligen Tannenbäumchen. Manchmal, wenn es nicht kracht und immer bullert, könnte man
den Krieg vergessen u. meinen, man sei in einer Sommerfrische. – Versagt uns der Petrus das gute Wetter,
so bleiben wir im Zelt und hören uns das Lied des Regens an, wie eben jetzt, da ich Euch schreibe…
Morgen nun begehe ich ein „Einjähriges“. Dieses Mal eines in Rußland. Ihr könnt Euch denken, daß sich
uns allen eine Frage auftut, nämlich die, wieviel Tage sich an das eine Jahr wohl noch anschließen mögen.
Nun, wir werden ja sehen.
Herzliche Grüße!
Euer Wilhelm.
10. Rußland, den 23. VI. 42
Sehr geehrter Herr Borchers!
Zunächst recht herzlichen Dank für Ihren Brief, den ich vor einigen Tagen erhalten habe. Die Freude war
groß, wieder etwas aus der Heimat zu hören. Zur Zeit haben wir hier herrliches Wetter. Seit einigen Tagen
hin ich wieder bei der Kompanie und habe meinen alten Platz wieder eingenommen.
War zwei Monate bei den Italiern mit einem Leutnant, der dort Verbindungsoffizier war. Habe dort eine
gute Zeit verlebt, die mir ewig in Erinnerung bleiben wird. Aber auch hier bei der Kompanie ist es ruhig,
und ich habe ein gutes Leben. In der Nacht besuchen uns allerdings die Flieger und stören uns durch ihre
Bomben in unserer Nachtruhe, was uns ja nicht mehr erschüttern kann.
Gestern vor einem Jahr hörten wir morgens die ersten Schüsse und manchem wurde etwas anders zu
Mute. Auch bei mir war es so, denn es war erste Feldzug, den ich mitmachen durfte. Nun ist bereits ein
Jahr vergangen, wo wir diesen Zauber mitmachen und manche schwere Stunde hinter uns haben. Wir
wollen hoffen, daß es uns glückt, dieses Jahr den Sieg zu erringen.
Viele herzliche Grüße
gez. Karl Gast.
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