Ingeln - Die Chroniken
Eine Zusammenfassung und Ergänzung aller Chroniken für den Ortsteil Ingeln in der Stadt Laatzen.
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Ingelner Originale
Von Heinrich Bertram
Schneider Lücke
In Ingeln, in der Hauptstraße 15, wohnte das Urgestein
Schneider Karl Lücke, auch Schnüffel genannt, zusammen mit
seiner Schwester Lina und seinem Schwager Karl Dölwes.
K
arl Lücke war ein nicht sehr großer Mann, aber flink wie ein Wiesel und weit über Ingelns Grenzen
bekannt. Überall wo mehr als drei Menschen zusammenstanden, war mit Sicherheit der Schneider
Lücke dabei, denn in einem kleinen Dorf gibt es immer etwas Neues und viel zu diskutieren und wer Neues
wissen wollte, ging eben zum Schneider. Diese Tatsache wurde ihm beim Nähen oft zum Verhängnis, denn
wenn er auf seinem Schneidertisch saß, hatte er zu allen Seiten einen Ausblick zur Hauptstraße und zur
Maine und durch seine Gasse auch zum Sacke (Hoher Weg). Wo sich etwas bewegte oder klapperte, war
er sofort zur Stelle. Bei all diesen Neuigkeiten unterliefen ihm aber auch immer wieder Fehler, es gab
Hosen mit verschieden langen Beinen und Jacken, die schräg wie eine Panzerjacke geknöpft werden
mussten, weil die Knöpfe nicht in einer Linie saßen.
Zum Sportfest 1950 bekamen mein Bruder und ich eine neue Kombination (braune Hose und karierte
Jacke). Damit man die Jacken rein äußerlich unterscheiden konnte, sollten beide auf der Rückseite
verschieden abgesteppt werden. Einmal in gerader Linie und einmal im Bogen. Als wir unsere Anzüge
abholten, waren natürlich beide gleich, und nicht nur das, die Jacken passten hinten und vorne nicht. Zum
Glück gab es damals in solchen Fällen noch den Schneidermeister Vetter aus Hildesheim. Er und seine
Familie waren im Krieg ausgebombt worden und wohnten nun bei Heinrich Klaus, Hs. Nr. 38 (jetzt
Pfingstangerweg). Herr Vetter hatte kurzfristig die größten und machbaren Fehler an unseren
Kombinationen behoben, für die Schneider Lücke sich sofort bereit erklärte, aufzukommen.
Ein anderes Mal hatte ein Landwirt für eine Feier einen Anzug bei Schneider Lücke bestellt. Zu dieser
Festivität kam auch ein Bekannter aus Hannover, der zufällig Schneidermeister in einem hannoverschen
Kaufhaus war. Als dieser den Anzug des Landwirtes sah, war auch ihm nicht gut zumute. Sie gingen beide
mit dem guten Stück zum Schneider Lücke, um die Fehler zu besprechen. Schneider Lücke bat seinen
Kollegen aus Hannover ein Schnittmuster aufzuzeichnen. Nach diesem Schnittmuster wurden dann alle
zukünftigen Anzüge angefertigt. Es lief aber auch nicht alles schief.
Seine Spezialität waren Stiefelhosen, die die Bauern zur Arbeit trugen. Diese hatten enge Hosenbeine, die
in Gummistiefel passten oder in sogenannte Ledergamaschen, die um die Hosenbeine geschnallt wurden.
So eine Stiefelhose war einst für H. Ebeling zu eng geworden und sollte nun mittels eines Keils etwas
weiter gemacht werden. Der Keil sollte die Bauchweite verändern. Als er die Hose anzog, saß der Keil so
zwischen den Beinen, dass er aussah wie ein Känguru mit Beutel.
Eines Tages sollte Schneider Lücke für mich eine Hose aufbügeln. Natürlich erledigte er das mal wieder
schnell schnell, weil er, wie so oft, in Zeitnot war. Die Hose sah nach dem Bügeln nicht viel besser aus als
vorher. Ganz offenherzig gestand er mir, dass er nur die Beine gebügelt hatte, da man unter der Jacke ja
eh nicht mehr sieht.
Wenn er bei Thea Behrens in der Gastwirtschaft mal einen über den Durst getrunken hatte und Ernst
Gieseke und Wilhelm Ohlendorf noch den letzten Schnaps und Bier spendierten, nieste er zum Dank auf
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