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Artykuły - Zbliżenia Interkulturowe

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Dossier<br />

silika St. Emmeram, der Kneitinger Keller<br />

und in ihm der dunkle, schäumende<br />

Doppel-Bock; die bayrische Sprache – bis<br />

heute ist sie für mich eine faszinierende<br />

Musik, die ich verstehe, die ich aber nicht<br />

nachzuahmen wagen würde; das breite<br />

Wasser der Donau, in dem ich während<br />

eines halben Jahres schwamm, ohne an<br />

die später auf mich wartende reale Klausurarbeit<br />

zu denken.<br />

Weil die Disposition des Gedächtnisses<br />

infantil ist? Viel später, als ein Fernsehteam,<br />

das mit meiner Beteiligung ein<br />

Filmmaterial drehte, mir die Wahl des<br />

Ortes für ein Gespräch über das Schreiben<br />

überließ, fuhren wir eben nach Regensburg.<br />

Es war mit der Zeit nicht nur<br />

nicht hässlich geworden, sondern noch<br />

schöner. Ist das nicht Liebe?<br />

Kulturzeit, das ist auch Kulturort.<br />

Wenn du schreibst, dann ist es nur scheinbar<br />

deine Entscheidung, wo du die Handlung<br />

lokalisierst. Wo auch immer sie sich<br />

abspielt, sie spielt sich in dir ab, also ohne<br />

Zweifel dort, wo eine Batterie von Vorstellungen<br />

dich für diese konkrete Aufgabe<br />

anheizt. Für mich war das immer der Ort<br />

meiner Geburt gewesen, seit der Zeit dieser<br />

meiner Reise – auch Regensburg. Über<br />

diesen bipolaren Raum hinaus bin ich niemals<br />

weggegangen, niemals weggefahren.<br />

Noch einmal wurde die Zeit geboren,<br />

die mir damals farbig erschien, für mein<br />

Schreiben aber verloren. Die Zeit gebar<br />

den Raum, generierte den Ort, bewirkte<br />

eine Zeit-Raum-Translation und beide<br />

Dimensionen gebaren die Illusion, dass<br />

es mir gelänge, etwas Raumüberschreitendes<br />

(an Überzeitliches zu denken, wäre<br />

Größenwahn gewesen) herauszumeißeln.<br />

In Regensburg habe ich zum ersten<br />

Mal die Sendung „Kulturzeit“ im Fern-<br />

118<br />

sehen gesehen, eine in dem glänzenden<br />

deutsch-österreichisch-schweizerischen<br />

Programm 3SAT ausgestrahlte Reihe. Was<br />

es dort nicht alles gab! Eine Inszenierung<br />

von „Emilia Galotti“, einen Zeichentrickfilm<br />

nach Kafkas „Verwandlung“,<br />

Mann im Gespräch mit Einstein in dessen<br />

kalifornischem Garten: Weißt du, Berti,<br />

eine Pfeife ist doch nicht das Wahre. Für mich,<br />

den frisch gebackenen Germanisten (der<br />

Sender war 1985 auch frisch gebacken),<br />

war das Sehen und Hören meines Elias<br />

Canetti, dessen Dr. Kien ich so gut verstand<br />

wie kaum einen anderen literarischen<br />

Helden, oder Peter Handkes, des<br />

Idols meiner ersten literarischen Gehversuche<br />

(ich hoffe, dass er den Nobelpreis<br />

bekommen und, seinem Stil entsprechend,<br />

nicht annehmen wird), des in Polen<br />

verbotenen Grass oder Biermann im<br />

Fernsehen – keine geringe Attraktion.<br />

Ich versuchte, mir die Zeit der Sendung<br />

zu merken. In den gedruckten Fernsehprogrammen<br />

war „Kulturzeit“ jedoch<br />

überhaupt nicht angezeigt. War also mit<br />

keiner bestimmten Zeit verbunden. Und<br />

selbst wenn sie es war, traf ich wie zufällig<br />

auf sie, zu den unerwartesten Tageszeiten.<br />

Es war kein bestimmter Zeitabschnitt,<br />

keine Viertelstunde oder Stunde<br />

zwischen einem Bericht über Äußerungen<br />

des „ungeliebten“ Papstes oder des<br />

„bewunderten“ Gorbatschow und einer<br />

Afrika-Reportage. „Kulturzeit“ war einfach<br />

die ganze Zeit über. Es gab keine von<br />

der Kultur suspendierte Zeit. Eine solche<br />

Suspendierung wäre „toxisch“, wäre Gift<br />

gewesen. Gesendet wurden Berichte über<br />

Auftritte von Reagan (der in den Pausen<br />

während der Demontage des Reichs des<br />

Bösen bewirkte, dass „meine“ Amerikaner<br />

, wenn sie den Dollar für fast fünf

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