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Artykuły - Zbliżenia Interkulturowe

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Mark wechselten, Krösusse waren, während<br />

für mich diese Summe umgerechnet<br />

ein Haufen Geld bedeutete – ich war also<br />

ein noch größerer Krösus); Material über<br />

den Albtraum der Ermordung von Indira<br />

Gandhi und Pater Popiełuszko. Die Suspendierung<br />

von der Kultur wäre die Vergeudung<br />

einer gewissen Gnade, die uns<br />

der launische Herrgott schickt, damit die<br />

Welt nicht nur weint, sondern manchmal<br />

auch singt.<br />

Die Zeit des zerzausten Lebens als<br />

Kulturzeit. Die Zeit des Trinkens eines<br />

Weizenbiers als Kulturzeit. Meine Plaudereien<br />

mit Cathy aus Colorado als<br />

Kulturzeit. Mein schläfriges Durchwandeln<br />

des Palastes von Fürst Johannes<br />

als Kulturzeit. Das Beäugen der einbalsamierten<br />

Leichname in den gläsernen Sarkophagen<br />

der Basilika des Hl. Emmeram,<br />

bei denen ich später in meiner wahren<br />

Fiktion sakrilegisch die „Einlage“ veränderte<br />

– alles: Kulturzeit.<br />

Ich war überzeugt, dass Kulturzeit, wie<br />

ich sie verstand, an diesem Ort eine andere<br />

Topographie hat: dass sie das Theater<br />

ist (in Regensburg zu jener Zeit nicht<br />

das beste), der Verlag Pustet, der Lesesaal<br />

der Slavistik an der modernen Campus-<br />

Universität, die mich eingeladen hatte,<br />

die literarischen Cafés und Salons,<br />

schließlich mein weißes und nach sechs<br />

Monaten noch ebenso intensiv nach frischer<br />

Farbe riechendes Arbeitszimmer im<br />

Vitusheim. Mit dieser Kulturzeit konnte<br />

ich mich nicht anfreunden.<br />

Jerzy Łukosz: Kulturzeit<br />

Zeitablauf und Topographie trafen<br />

zusammen in der Person von Heinz<br />

Kneip, meinem Begleiter durch die für<br />

mich neue Welt (als Ankömmling aus einem<br />

Polen im Kriegszustand erlebte ich<br />

auch den so genannten Zivilisationsschock).<br />

Der glänzende Fachmann, Professor<br />

für Literatur an der dortigen Universität,<br />

der auch meine, die Breslauer<br />

Universität gut kannte, gehörte gleichzeitig<br />

zur Zeit wie auch zum Ort der Kultur.<br />

Wenn ich mir überlege, wie ich zu der<br />

Erfahrung gelangt bin, die das Schreiben<br />

herausforderte, so denke ich, dass sie, wie<br />

gewöhnlich, nur eine Sprache hatte – außerhalb<br />

von Zeit und Ort der Kultur.<br />

Aber gleichzeitig auch innerhalb von Zeit<br />

und Ort der Kultur: Kneip und ich sprachen<br />

polnisch.<br />

Dann auch die Gespräche mit den Angelsachsen,<br />

in einem Deutsch, das kein<br />

Bayer verstanden hätte, haben sich bei<br />

mir in Polnisch niedergeschrieben. Wurden<br />

von neuem geschrieben. Das Polnische<br />

trug mich von der Wahrheit zur Fiktion.<br />

Statt also Reiseberichte zu schreiben,<br />

schrieb ich eine Phantasie. Der<br />

Kulturort fand sich nicht dort, wo ich<br />

dachte, dass er sei, er fand sich in der Sprache.<br />

Wäre ich Mathematiker, so schriebe<br />

ich die Gleichung: Kulturort plus Kulturzeit<br />

ist gleich Sprache, meine Sprache,<br />

mein Regensburg, nicht das bayerische,<br />

sondern das, das ich in mir trage, auf Polnisch,<br />

nicht damals, sondern jetzt.<br />

Übersetzung: Eleonore Kaiser<br />

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