Artykuły - Zbliżenia Interkulturowe
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Bernd Balzer<br />
O Sancta Euphemia!<br />
Die letzte meiner Glossen erschien im 1.<br />
Heft der <strong>Zbliżenia</strong> des letzten Jahres. Sie<br />
war dem „Unwort des Jahres“ und ihrer<br />
unseligen Jury gewidmet. Als ich sie der<br />
Redaktion sandte, war die Entscheidung<br />
über das „Unwort des Jahres 2005“ noch<br />
nicht gefallen. Ich referierte nur die Gerüchte,<br />
die „Gammelfleisch“ favorisierten.<br />
Das hat sich als falsch erwiesen – und<br />
ich hätte es wissen müssen: „Gammelfleisch“<br />
sprach einen scheußlichen Sachverhalt<br />
– den Vertrieb von verdorbenem<br />
Fleisch als Nahrungsmittel – direkt und<br />
kritisch an (das hätte es für die Jury schon<br />
attraktiv machen können), aber es sprach<br />
ihn auch klar und eindeutig aus – damit<br />
passte es überhaupt nicht in den Katalog<br />
bisheriger Unwörter. „Frischfleisch“ dagegen<br />
hätte sich bestens geeignet: Im Jargon<br />
von Zuhältern und Mädchenhändlern<br />
werden neu angeworbene, entführte,<br />
zur Prostitution gezwungene Mädchen<br />
zynisch als „Frischfleisch“ bezeichnet<br />
und Zynismus ist das in den Begründungen<br />
der Frankfurter am häufigsten genannte<br />
Argument. Zynismus akzeptieren<br />
die Herren niemals, auch nicht, wenn er<br />
die Richtigen trifft: Mit der Formulierung<br />
„Sozialverträgliches Frühableben“<br />
(„Unwort des Jahres 1998“) reagierte der<br />
damalige Präsident der Bundes-Ärztekammer<br />
Karsten Vilmar auf Vorschläge<br />
zur Kostenreduzierung im Gesundheitswesen,<br />
die die Verlängerung der durch-<br />
schnittlichen Lebenszeit quasi als<br />
Unglück und nur als Belastungsfaktor<br />
der Krankenversicherung darstellten.<br />
Vilmars Charakterisierung führte in satirischer<br />
Übertreibung den Gedanken zur<br />
logischen Konsequenz: Früherer Tod<br />
müsste demnach als positives Sozialverhalten<br />
angesehen werden. Die Absicht<br />
erkannte die Jury wohl, allein sie goutierte<br />
das nicht. Die Begründung auf der<br />
Website der Jury kritisiert: „Dabei hat er<br />
in mindestens zweifacher Hinsicht die<br />
Seriosität einer offiziellen Stellungnahme<br />
verfehlt: zum einen in der Umschreibung<br />
eines vorzeitigen Todes durch ‚Frühableben’,<br />
zum anderen in der Verbindung<br />
mit dem Wort ‚sozialverträglich’, das<br />
schon durch seinen Missbrauch in anderen<br />
Fällen eigentlich unbenutzbar erscheinen<br />
müsste. Kommt hinzu, dass<br />
Vilmar – wenn auch in ironischer Absicht<br />
– formuliert hat, Ärzte müssten sich überlegen,<br />
ob sie den vorzeitigen Tod von Patienten<br />
‚fördern’ müssten. Hier schlägt<br />
Ironie und Satire endgültig in blanken<br />
Zynismus um, der eines Sprechers der<br />
Ärzteschaft unwürdig ist, zumal deutsche<br />
Ärzte bereits am Ende des 2. Weltkriegs<br />
vorzeitiges Sterben nach Therapie- und<br />
Medikamentenentzug als ‚Frühableben’<br />
umschrieben hatten.“ Das ist – wie stets<br />
– unübersehbar gut gemeint, schlecht formuliert<br />
und sachlich – was Ironie und<br />
Satire anbetrifft – wenig überzeugend.<br />
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