Artykuły - Zbliżenia Interkulturowe
Artykuły - Zbliżenia Interkulturowe
Artykuły - Zbliżenia Interkulturowe
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Dankbarkeit an seinen Schöpfer auf den<br />
Lippen.<br />
In „Ahnung und Gegenwart“ gibt es<br />
eine einzige Szene, in der das Volk bei der<br />
Ernte gezeigt wird, und die hat einen<br />
bukolischen und wenig realistischen<br />
Charakter, die arbeitenden Bauern werden<br />
als „ein fröhliches Gewimmel“ dargestellt.<br />
Lange Reihen von Arbeitern, voll<br />
beladene Wagen ziehen dem Dorf zu,<br />
fröhliches Singen und Wirren begleitet<br />
ihr Schaffen, dem von weitem ein Grüppchen<br />
feiner Herrschaften zuschaut, die<br />
wiederum wie eine Picknick-Gesellschaft<br />
wirken. Die Reisenden sind sofort mit<br />
den Herrschaften vertraut, man hat gemeinsame<br />
Bekannte und Verwandte. Das<br />
Volk aber bleibt im Hintergrund und<br />
sieht von weitem den Herrschaften zu.<br />
Gesicht und Konturen gewinnen bei<br />
Eichendorff allerdings die kleinen Leute,<br />
mit denen der Adel in direkte Berührung<br />
kommt – der Förster und die Jäger,<br />
der Schulmeister und der Pfarrer, die<br />
Zofen und Portiers und insbesondere der<br />
Müller, beziehungsweise seine Familie.<br />
Denn zum einen ist es im wunderschönen<br />
Gedicht vom zerbrochenen Ringlein<br />
die untreue Müllertochter, zum anderen<br />
vor allem das vagabundierende Müllersöhnchen.<br />
Aber sogar dem Taugenichts<br />
gegenüber lässt sich ein herablassender<br />
aristokratischer Ton nicht überhören.<br />
Der überglückliche Bräutigam wird zwar<br />
mit einem malerischen weißen Schlösschen<br />
bedacht, doch zuvor von seinen<br />
Wohltätern einem gutmütigen Gelächter<br />
preisgegeben.<br />
In diesem sozialen Zwischenraum ist<br />
in „Ahnung und Gegenwart“ Platz für<br />
die Gestalt Viktors, eines Sonderlings besonderer<br />
Art und dazu eine Gestalt, die<br />
Renata Schumann: Vom ewigen Sonntag im Gemüte<br />
in ihrem Wesen der schlesischen Landschaft<br />
eng verbunden scheint. Viktor ist<br />
ein Theologe, der sein Studium nicht beendet<br />
hatte und seinen Lebensunterhalt<br />
als Dorflehrer verdient. Der Freund<br />
Friedrichs und Leontins, mit dem sie lange<br />
Gespräche führen, lebt abseits in einem<br />
verfallenen Häuschen, liest viel und beschäftigt<br />
sich mit der Herstellung unzähliger<br />
„pickender“ Spieluhren und anderer<br />
merkwürdiger Instrumente. Seine<br />
Lieblingsidee ist ein Luftschiff. Er zeigt<br />
sich bisweilen zutiefst melancholisch,<br />
dann wieder von ausgelassener Fröhlichkeit.<br />
Als die beiden Adligen in den Befreiungskrieg<br />
gegen Napoleon ziehen,<br />
meint Viktor, es sei besser Uhren zu machen,<br />
als Soldat zu spielen. Viktor vertritt<br />
den Topos des Einsiedlers, den Eichendorff<br />
später als seine persönliche Leitfigur<br />
bezeichnet, und ist eine dem Taugenichts<br />
verwandte Gestalt eines naiven<br />
und wirklichkeitsfremden Außenseiters.<br />
Bereits in diesem Roman wird die<br />
Apotheose des rechten, das heißt romantisch<br />
poetischen Lebens mit Spott am<br />
Philister verbunden, der Feindesgestalt<br />
aller Romantiker. Es heißt da: „Das Leben<br />
der meisten ist eine immerwährende<br />
Geschäftsreise vom Buttermarkt zum<br />
Käsemarkt; das Leben der Poetischen dagegen<br />
ein freies, unendliches Reisen nach<br />
dem Himmelreich“.<br />
Dieses Feindbild wird in der dramatischen<br />
Satire „Krieg den Philistern“ ergiebig<br />
thematisiert. Die bizarre Gestalt des<br />
Riesen Grobianus in diesem „dramatischen<br />
Märchen in fünf Akten“ spiegelt<br />
Eichendorffs Angst vor der blinden Unvernunft<br />
der aufbegehrenden Massen.<br />
Die ersten Fragmente dieses überbordenden<br />
Bühnenstücks erschienen 1823,<br />
89