02.01.2013 Aufrufe

Armen Oganessjan - Internationales Leben

Armen Oganessjan - Internationales Leben

Armen Oganessjan - Internationales Leben

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Digest, 2011<br />

Ungeordnetes Europa<br />

103<br />

auf die Ansprüche der Europäischen Union auswirken werden, ein Zentrum der<br />

internationalen Politik zu werden. Außerdem zwingt Russlands erstarkte Lage<br />

auf dem Kontinent, wie sehr man sich in Westeuropa von ihm auch abgrenzen<br />

möchte, dazu, es in Betracht zu ziehen sowie zu den halbvergessenen Begriffen<br />

wie System des Kräftegleichgewichts in Europa zurückzukehren. Dabei könnte<br />

die Demonstration des Strebens nach Aktivierung der Beziehungen zu Russland<br />

in nicht geringem Maße dazu beitragen, Europa vom Image eines Vasallen der<br />

Vereinigten Staaten zu säubern.<br />

Zu merken sind auch andere mögliche Motive der Wendung Westeuropas<br />

zu Russland, dessen Erniedrigung die Länder in 1990er Jahren vergnügt<br />

beobachteten, ja daran auch „nach Kräften“ teilnahmen. Die jüngsten Schritte<br />

der westeuropäischen Diplomatie (vorgespielte Vertiefung des Dialogs Berlin–<br />

Paris–Moskau, Russlands beinahe ermunternde Äußerungen über die Initiative<br />

bezüglich der europäischen Sicherheit, die Anspielungen auf die Möglichkeit von<br />

Russlands Nato-Mitgliedschaft) folgten nach dem offiziellen Verzicht Pekings<br />

auf das amerikanische Angebot, die globale Führung „durch zwei zu teilen“.<br />

Hier wäre es vielleicht angebracht, daran zu erinnern, dass man im Westen die<br />

Perspektive des Einstiegs Russlands in die Politik des Widerstands gegen<br />

China schon recht lange Zeit im Sinne hatte. Bekannt ist, dass der französische<br />

Präsident Charles de Gaulle schon Anfang 1959 über die Unvermeidlichkeit eines<br />

Zusammenstoßes zwischen der UdSSR und China sprach, was in seinen Augen<br />

ein wichtiger Faktor der Annäherung Russlands an Westeuropa gewesen sein<br />

mochte. Auf die Notwendigkeit der Vereinigung der Anstrengungen der USA und<br />

der UdSSR im Auftreten gegen China verwies US-Verteidigungsminister Nail<br />

McElroy in einem Gespräch mit dem russischen Außenminister Andrej Gromyko<br />

im Sommer 1959 6 . Wir wollen vermerken, dass in jener Zeit, die sich durch<br />

einen immer gespannteren Charakter der sowjetisch-chinesischen Beziehungen<br />

auszeichnete, man in Moskau solche „vereinigenden“ Aussprüche der westlichen<br />

Politiker für unangebracht hielt.<br />

Heute steht Russland am Scheideweg. Seine Fähigkeit, mit einer ganzen Reihe<br />

von in schneller Entwicklung begriffenen Ländern erfolgreich zu konkurrieren,<br />

nimmt ab, und die russische Diplomatie sieht sich unter dem Druck komplizierter<br />

Probleme innerhalb Russlands. Die Stagnation des Zurückgebleibens verursacht<br />

einen Minderwertigkeitskomplex in Bezug auf die eigenen Kräfte, es bleibt die<br />

Hoffnung, einen Durchbruch nach vorn mit der Hilfe von außen zu vollbringen.<br />

Indes wird es in der neuen Fassung des Systems des Kräftegleichgewichts in der<br />

Welt und folglich auch in Europa, ebenso wie im 19. und 20. Jahrhundert, für<br />

den politischen und wirtschaftlichen Altruismus keinen Platz geben. Russland<br />

hat eine einzige Chance, sich jenen anzuschließen, die versuchen, das „Vakuum

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!