Armen Oganessjan - Internationales Leben
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Digest, 2011<br />
Ungeordnetes Europa<br />
113<br />
Umorientierung der Nato-Strategie darauf, die Streitkräfte außerhalb der<br />
Grenzen der Nato-Länder einzusetzen. Die Antwort auf Russlands Handlungen<br />
waren der Ausstieg der USA aus dem Raketenabwehrvertrag, der Krieg in<br />
Irak, die aktive Unterstützung der „farbigen Revolutionen“ in Georgien und<br />
der Ukraine durch einige führende Staaten des Westens, die veröffentlichten<br />
Pläne einer beschleunigten Aufnahme von Kiew und Tbilissi in die Nato<br />
und schließlich die Vorwürfe an Russlands Adresse, es befasse sich mit<br />
„energetischer Erpressung“.<br />
In seiner berühmten Münchner Rede im Februar 2007 nannte Wladimir Putin<br />
die Vereinigten Staaten den Hauptprojektierer der entstandenen Weltarchitektur, für<br />
die es charakteristisch ist, Gewaltanwendung zu übertreiben und die grundlegenden<br />
Prinzipien des Völkerrechts immer mehr zu vernachlässigen (er verwies u.a. auf<br />
die Unzulässigkeit der Versuche, die UNO durch die euroatlantische Allianz oder<br />
die Europäische Union zu ersetzen). Putin stellte die direkte Frage, gegen wen<br />
die Nato-Erweiterung, darunter die Pläne zur Entfaltung von ABM-Bestandteilen<br />
gerichtet sind, obwohl die ABM „zur Gewährleistung der Sicherheit in Europa in<br />
keiner Beziehung steht“; er fragte auch, welche Rolle die OSZE spielt, die man<br />
versucht, in ein „vulgäres Werkzeug“ zur Sicherung der Interessen der einen auf<br />
Kosten der anderen, der Einmischung in die inneren Angelegenheiten einiger ihrer<br />
Mitglieder zu verwandeln 12 .<br />
Ihren Höhepunkt erreichten die Äußerungen des tiefen Misstrauens in<br />
den Beziehungen zwischen Russland und dem Westen im August 2008, als<br />
Georgien, das bedingungslos an die absolute Unterstützung seiner antirussischen<br />
Linie durch Washington und die EU glaubte, eine aggressive Aktion gegen<br />
Südossetien unternahm. Russlands Gegenaktionen lösten einen ganzen Sturm<br />
von feindseliger Rhetorik in den westlichen Hauptstädten aus, sie warfen<br />
Moskau die Wiederbelebung der „imperialen Politik“ und das Denken in den<br />
Kategorien Kalten Krieges vor. Die russische Führung sah in der Kaukasus-Krise<br />
eine Bestätigung ihrer Erklärungen darüber, dass die europäische Sicherheit in<br />
den letzten 20 Jahren in jeder Hinsicht stark gelockert wurde und eine sofortige<br />
„Renovierung“ braucht. Besonderen Nachdruck legte die russische Diplomatie<br />
auf das Voranbringen der von Präsident Dmitri Medwedew zwei Monate vor<br />
dem August 2008 vorgebrachten Idee, einen juristisch verpflichtenden Vertrag<br />
über europäische Sicherheit abzuschließen. Doch obwohl die Kritik an Russland<br />
im Zusammenhang mit der von Administration von US-Präsident Barack<br />
Obama verkündeten Reset-Politik gemildert wurde, fand diese Initiative bei den<br />
westlichen Ländern kein halbwegs positives Echo. Mehr noch, US-Vizepräsident<br />
George Biden sprach die Meinung der amerikanischen Seite dazu klar genug<br />
aus: Europa brauche keine neuen Verträge und Institute, da Amerika nach einem