Armen Oganessjan - Internationales Leben
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Michail Majorow<br />
Meinung, dass der Zerfall der Sowjetunion „die größte geopolitische Katastrophe<br />
des 20. Jahrhunderts war. Der Ex-Außenminister Deutschlands Joschka Fischer<br />
z. B. erklärte, die meisten europäischen Länder seien kategorisch gegen eine<br />
Revision der Ordnung, die sich im postsowjetischen Raum etabliert habe, da sie<br />
das Verschwinden der UdSSR für einen „großen Glücksfall halten“ würden 26 .<br />
Die erwähnte Münchner Rede Putins löste ebenfalls eine insgesamt negative<br />
Reaktion in den USA und in Westeuropa aus, wo man in der „eiskalten Kritik“<br />
des russischen Präsidenten eine Anspielung auf einen neuen Kalten Krieg“<br />
erblickte. Es verbreitete sich weit der Standpunkt, der Westen solle seine Reihen<br />
zusammenschließen und sich auf die Begegnung mit einer neuen russischen Politik<br />
vorbereiten, um die westlichen Werte zu verteidigen.<br />
In Europa gibt es nicht wenig Politiker, die meinen, dass unter den<br />
Bedingungen der zugespitzen internationalen Konkurrenz Europa durch ein<br />
Bündnis mit Russland in der Weltpolitik qualitativ verstärkt werden könnte.<br />
Es gibt auch kategorischere Äußerungen darüber, dass das „alte“ Europa durch<br />
Russlands Anschluss zu „retten“ sei, damit sie, auf unterschiedliche Werte,<br />
aber gemeinsame Ziele gestützt, Europa gemeinsam aufbauen könnten. Doch<br />
nach allem zu urteilen, bestimmten hauptsächlich nicht sie die Gesinnung im<br />
europäischen Establishment. Der deutsche Politologe Alexander Rahr, einer der<br />
angesehensten Fachleute für die Problematik der deutsch-russischen Beziehungen,<br />
behauptete schon 2007, das immer weniger europäische Politiker die Idee<br />
eines Russland innerhalb Europas verträten. Ihre Rolle würden darin nicht nur<br />
die eingewurzelten historischen Phobien gegenüber Russland spielen, sondern<br />
auch die antirussischen Komplexe, die die herrschenden Kreise der ehemaligen<br />
Warschauer Vertragsstaaten in die Europäische Union mitgebracht hätten. Rahr<br />
zufolge sei für die Staaten Westeuropas die Frage des Schutzes der westlichen<br />
liberalen Werte, die die Religion ersetzt hätten, vor den äußeren Gefahren von<br />
bestimmender Bedeutung. Den wichtigsten Schutz sehen die westeuropäischen<br />
Politiker in den USA und in der Erweiterung und Festigung der transatlantischen<br />
Gemeinschaft, wobei sie es vorziehen, sich von Russland abzusondern und „es<br />
nach Asien herauszustoßen“ 27 .<br />
Russland ist zweifellos ein überwiegend europäisches Land, das mit Europa<br />
seit langem durch die Geschichte, Kultur und umfassende Verflechtung der<br />
politischen und ökonomischen Beziehungen verbunden ist. Ebenso wie im<br />
übrigen Europa ist das gesellschaftliche <strong>Leben</strong> in Russland, trotz der destruktiven<br />
Äußerungen der Globalisierung, stark von den christlichen Werten beeinflusst.<br />
Seit mehr als 300 Jahren konnten sich die besten Köpfe Russlands ihr Land ohne<br />
Europa nicht vorstellen, beneideten die eroberten demokratischen Standards<br />
der führenden Länder des Kontinents und wünschten Russland, die europäische<br />
<strong>Internationales</strong> <strong>Leben</strong>