Armen Oganessjan - Internationales Leben
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Digest, 2011<br />
Russland und Serbien<br />
slawischen Seele orthodoxen Glaubens. Sie vereinigt unsere zwei Nationen —<br />
die serbische und die russische — zur gemeinsamen Kultur, die etwas mehr als<br />
einfach eine Verschmelzung von Traditionen darstellt. Sie trägt einen tiefgreifenden<br />
emotionellen Charakter, auf der Ebene von Gefühlen und Instinkten, formt die<br />
Persönlichkeit und schafft eine ewige Grundlage für unvergängliche Einigkeit. Das<br />
beinhaltet der Begriff „Sobornostj“ — der Zusammenhalt von Glaubensgenossen.<br />
Die Bedeutung dieses urslawischen Begriffs ist unseren zwei Völkern wohl bekannt.<br />
Unsere Völker massen der Kunst immer schon eine ausserordentlich grosse<br />
Bedeutung bei. Für uns sind Dichtung, Literatur, Musik und Theater Äusserungen<br />
der Seele, die in das Gewebe unserer nationalen Identität untrennbar eingebunden<br />
sind. Mit noch grösserer Kraft gilt das für die Russische Kirche und die Serbische<br />
Kirche, die als Bewahrerinnen unserer engsten Bindungen wiederholt aufgetreten<br />
sind. Unser gemeinsamer Glaube festigt sich dadurch, dass wir nach wie vor<br />
in einer Sprache beten, die gleichen liturgischen Bücher benutzen und die<br />
gemeinsamen Heiligen ehren. Die in Belgrad am 1. April stattgefundene Premiere<br />
des Oratoriums „Passionsgeschichte von Matheus“, komponiert vom Vorsitzenden<br />
der Abteilung für kirchliche Aussenverbindungen des Moskauer Patriarchats, dem<br />
Metropoliten von Wolokolamsk, Illarion, diente als eine lebendige Erinnerung an<br />
diese brüderliche Verbundenheit.<br />
Unsere Beziehungen haben eine lange Geschichte. In Serbien pflegen wir<br />
ehrenvoll die Erinnerung an unsere Landsleute, die einen Beitrag zur Entwicklung<br />
Russlands geleistet haben. Ein serbischer Architekt erstellte im Jahre 1345 das<br />
Projekt der Kirche zur Verklärung Christi bei Kowaljow im Gebiet Nowgorod.<br />
Im Jahre 1380 schmückte ein serbischer Ikonenmaler diese Kirche mit herrlichen<br />
Fresken. Einige Jahrzehnte später — im Jahre 1404 — wurde ein serbischer Mönch<br />
aus dem Kloster Hilandar beauftragt, die erste mechanische Uhr in Russland<br />
herzustellen. Seit vielen Jahrhunderten dienen die Glocken dieser Uhr am Spasski-<br />
Turm des Kremls als der Hauptzeitmesser der Zeit in Russland.<br />
Serbien gedenkt Zehntausende seiner Landsleute, die während der Grossen<br />
Umsiedlung der Serben, die im Jahre 1690 eingesetzt hat, nach Russland gegangen<br />
sind. Einer von ihnen war der Fürst Sawwa Lukitsch Wladislawitsch-Ragusinski.<br />
Er trat in Dienste des Zaren Peter I., diente als russischer Botschafter in Rom, dann<br />
in Konstantinopel, brachte den Vorfahren Puschkins — Ibragim Gannibal — nach<br />
Sankt Petersburg. Aber besonders berühmt wurde er im Zusammenhang mit dem<br />
Vertrag von Kjachta aus dem Jahre 1727, der die Beziehungen zwischen Russland<br />
und China bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts regelte. Der Vertrag legte die Grenze<br />
zwischen den zwei grossen Ländern fest, und, was besonders wichtig ist, wurden<br />
für Russland günstigere — im Vergleich zu anderen europäischen Ländern —<br />
Bedingungen des Handels mit dem Reich der Mitte festgelegt.<br />
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