Vergleich der Jugendhilfesysteme - Landschaftsverband Rheinland
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Voraussetzungen erfüllt. Bei den Letzteren hat die Behörde einen Spielraum für ihre<br />
Entscheidung, so dass es in <strong>der</strong> Regel mehrere richtige behördliche Reaktionen gibt,<br />
<strong>der</strong>en Wahl gerichtlich nicht überprüft und geän<strong>der</strong>t werden kann. Zwischen diesen<br />
beiden Kategorien gibt es die Soll-Leistungen, die im Regelfall den Charakter von<br />
Muss-Leistungen haben.<br />
Die an<strong>der</strong>en Aufgaben stellen eine „Restkategorie“ dar. Sie haben keine gemeinsamen<br />
Merkmale. Historisch betrachtet haben sie eine Art polizeilichen Charakter. Sie lassen<br />
sich heute dem „staatlichen Wächteramt (Art. 6 III GG) zuordnen. Auf ihre Erfüllung hat<br />
<strong>der</strong> betroffene Bürger keinen direkten Einfluss.<br />
B. Rechtliche und politische Rahmenbedingungen<br />
I. Verfassungsrechtliche Grundlagen <strong>der</strong> Jugendhilfe<br />
In <strong>der</strong> deutschen Verfassung, dem Grundgesetz (GG), kommt we<strong>der</strong> das Wort Jugendhilfe<br />
vor noch ist das Kind o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Jugendliche in einem eigenen Artikel des Gesetzes<br />
geregelt. Daraus den Schluss zu ziehen, dass <strong>der</strong> deutsche Gesetzgeber an<br />
Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen kein Interesse habe, wäre jedoch mehr als voreilig. Die<br />
Norm, in <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> u. a. vorkommen, ist Art 6 GG. Er lautet in den für die betroffenen<br />
Bereiche einschlägigen Absätzen folgen<strong>der</strong>maßen:<br />
(1) Ehe und Familie stehen unter dem beson<strong>der</strong>en Schutz <strong>der</strong> staatlichen Ordnung.<br />
(2) 1. Pflege und Erziehung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> sind das natürliche Recht <strong>der</strong> Eltern und die zuvör<strong>der</strong>st<br />
ihnen obliegende Pflicht. 2. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.<br />
(3) Gegen den Willen des Erziehungsberechtigten dürfen Kin<strong>der</strong> nur auf Grund eines Gesetzes<br />
von <strong>der</strong> Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen <strong>der</strong> wenn<br />
die Kin<strong>der</strong> aus an<strong>der</strong>en Gründen zu verwahrlosen drohen.<br />
Inhaltlich wirklich verstehen kann man diese Vorschriften nur auf dem Hintergrund <strong>der</strong><br />
deutschen Geschichte. Im sog. „Dritten Reich“ hatten die staatlichen Behörden und<br />
nicht die Eltern Vorrang bei <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>erziehung. Die Kin<strong>der</strong> wurden quasi „dem Führer<br />
geschenkt“, und dieser gab sie den Eltern nur treuhän<strong>der</strong>isch zurück. Aus diesen Erfahrungen<br />
wollte <strong>der</strong> deutsche Verfassungsgeber von 1949 Lehren ziehen. So etwas<br />
sollte nie wie<strong>der</strong> möglich sein. Folglich wurde die Stellung <strong>der</strong> Eltern sehr stark gestaltet,<br />
allerdings keineswegs zum Nachteil <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>.<br />
Grundaussage ist, dass vorrangig die Eltern für ihre Kin<strong>der</strong> verantwortlich sind. Sie<br />
sind die primären Erziehungsträger. Solange die Kin<strong>der</strong> durch das elterliche Erzieherverhalten<br />
nicht gefährdet werden, kann <strong>der</strong> Staat nur för<strong>der</strong>nde Hilfe anbieten. Wird sie<br />
nicht in Anspruch genommen, kann <strong>der</strong> Staat nicht eingreifen. Keinesfalls kann er, sofern<br />
Kin<strong>der</strong> bei ihren eigenen Eltern nicht optimal aufwachsen, sich einmischen und<br />
bessere o<strong>der</strong> gar die besten Eltern für diese Kin<strong>der</strong> suchen. Allerdings ist <strong>der</strong> Staat<br />
aufgefor<strong>der</strong>t, darüber zu „wachen“, wie Eltern ihre Kin<strong>der</strong> erziehen. Werden Kin<strong>der</strong><br />
durch elterliches Fehlverhalten (aktiv durch Missbrauch ihrer Rechtsmacht, passiv<br />
durch Vernachlässigung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>) in ihrem Wohl gefährdet, dann ist die Schwelle<br />
erreicht, bei <strong>der</strong> <strong>der</strong> Staat das elterliche Verhalten nicht mehr tolerieren kann und eingreifen<br />
muss. Der Staat ist nur ein „Wächter“. Man spricht daher vom „Staatlichen<br />
Wächteramt“. Wer dieses Wächteramt konkret ausübt, ist in <strong>der</strong> Verfassung nicht gesagt.<br />
Es ist aber klar, dass dies primär die Jugendämter sowie die Familien- und Vormundschaftsgerichte<br />
sind. Darüber hinaus müssen es auch an<strong>der</strong>e Behörden sein, die<br />
mit Kin<strong>der</strong>n zu tun haben, wie z.B. die Schule, die Polizei, die Gesundheitsämter. Neuerdings<br />
hat <strong>der</strong> Gesetzgeber ausdrücklich klar gestellt, dass dies in <strong>der</strong> Jugendhilfe<br />
auch die freien Träger sind. Für private Schulen fehlt bisher eine entsprechende Verpflichtung.