Vergleich der Jugendhilfesysteme - Landschaftsverband Rheinland
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Die Kin<strong>der</strong>schutzbehörde wurde dadurch zu einer Einrichtung in zweiter Linie, die nur<br />
noch über das Büro für Jugendhilfe erreichbar ist.<br />
II. Gerichtlicher Kindesschutz und Mitwirkung <strong>der</strong> Jugendbehörden 150<br />
Gerichtliche Maßnahmen zum Kindesschutz sind im nie<strong>der</strong>ländischen Bürgerlichen<br />
Gesetzbuch (Burgerlijk Wetboek – BW) geregelt. Das nie<strong>der</strong>ländische Zivilgesetzbuch<br />
kennt drei gesetzliche Kindesschutzmaßnahmen: die Schutzaufsicht, die Enthebung<br />
von <strong>der</strong> elterlichen Sorge und die Entziehung <strong>der</strong> elterlichen Sorge. In den beiden letzteren<br />
Fällen ist ein Vormund einzusetzen.<br />
1. Einleitung des Verfahrens des Kindesschutzes<br />
Ein Verfahren zum Schutz des Kindes wird auf Anzeige von Dritten (Nachbarn, Familienmitglie<strong>der</strong>,<br />
Lehrer) o<strong>der</strong> des Kindes selbst o<strong>der</strong> auf Initiative des Büros für Jugendhilfe<br />
eingeleitet. Die Büros für Jugendhilfe unterhalten dazu die Beratungs- und Meldestellen<br />
für Kindesmisshandlung (Advies- en Meldpunt Kin<strong>der</strong>mishandeling – AMK), 151<br />
die über die Telefonnummer 0900-1231230 telefonisch erreichbar sind. Das Büro für<br />
Jugendhilfe entscheidet darüber, ob eine Einschaltung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>schutzbehörde erfor<strong>der</strong>lich<br />
ist. In diesem Fall gibt es die entsprechenden Informationen an die Kin<strong>der</strong>schutzbehörde<br />
(Raad voor de Kin<strong>der</strong>bescherming) weiter, die dann ein Untersuchungsverfahren<br />
einleitet. 152 In Einzelfällen kann die Kin<strong>der</strong>schutzbehörde auch auf<br />
eigene Initiative tätig werden, z.B. wenn sie im Rahmen eines bereits laufenden gerichtlichen<br />
Verfahrens von Umständen Kenntnis erhält, die ein Eingreifen <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>schutzbehörde<br />
erfor<strong>der</strong>lich machen.<br />
2. Die Untersuchung<br />
Die Untersuchung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>schutzbehörde soll ein umfassendes und klares Bild <strong>der</strong><br />
Situation des Kindes und seiner Familie ergeben. Der Mitarbeiter <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>schutzbehörde<br />
(raadson<strong>der</strong>zoeker) führt dazu Gespräche mit den Familienmitglie<strong>der</strong>n und Menschen<br />
aus <strong>der</strong>en direkter Umgebung, sowie an<strong>der</strong>en Personen, wie dem Hausarzt,<br />
Sozialarbeitern und Lehrern. Falls erfor<strong>der</strong>lich können neben internen Experten (Psychologen,<br />
Juristen) auch externe Experten zugezogen werden. Am Ende <strong>der</strong> Untersuchung<br />
erstellt <strong>der</strong> Untersuchungsleiter ein Gutachten, das neben einer Beschreibung<br />
<strong>der</strong> Untersuchung die Schlussfolgerungen und die Empfehlung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>schutzbehörde<br />
enthält und auch <strong>der</strong> richterlichen Entscheidung über den Erlass einer Schutzmaßnahme<br />
zugrunde gelegt wird. Das Gutachten ist für den Richter jedoch nicht bindend.<br />
Die Klienten können den Entwurf des Gutachtens einsehen und Anmerkungen<br />
zur Korrektur o<strong>der</strong> Ergänzung machen. Sie erhalten Gelegenheit, das endgültige Gutachten<br />
im Büro <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>schutzbehörde einzusehen und erhalten grundsätzlich eine<br />
Abschrift. Die Abschrift kann aus verschiedenen Gründen verweigert werden, u.a.<br />
wenn durch die Abschrift die Verhin<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong> Verfolgung einer Straftat beeinträchtigt<br />
werden könnte, o<strong>der</strong> dies zum Schutz des Betroffenen o<strong>der</strong> Dritter erfor<strong>der</strong>lich ist. Für<br />
die Erstellung des Gutachtens bestehen Richtlinien des nie<strong>der</strong>ländischen Justizministeriums,<br />
die sog. Normen 2000. 153 Die Richtlinien beschreiben u. a., wie eine Untersu-<br />
150 Für die Vorarbeiten zu diesem Teil im Rahmen des Europäischen Kooperationsseminars des Masterstudiengangs<br />
„Beratung und Vertretung im Sozialen Recht“ an <strong>der</strong> Fachhochschule Köln danke ich Nathalie<br />
Pichler (Dipl.-SA, M.A.) und Sandra Wirbelauer (Dipl.-SA, M.A.).<br />
151 www.amk-ne<strong>der</strong>land.nl<br />
152 Vgl. die Broschüre des Justizministeriums, Wenn das Erziehen ein Problem ist – Über das Jugendamt,<br />
Mai 2004 (Übersetzung <strong>der</strong> Broschüre: Als opvoeden een probleem is – Over de Raad van de Kin<strong>der</strong>bescherming).<br />
153 Die Normen 2000 sind auf <strong>der</strong> Website <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>schutzbehörde zu finden<br />
(www.kin<strong>der</strong>bescherming.nl). Vgl. Justizministerium, N 82, S. 3.