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Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg

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Edouard Glissant: hagiographe des sites 141<br />

später beschrieben wird. So schließt die Überschwemmung die Risse in der Landschaft und<br />

legt sich wie ein heilender Verband darüber. Mit dem Anschwellen des Flusses wird auch<br />

Thaëls Schwindel stärker. Als Garin ihm den Vorschlag macht, ihn an seinen Machenschaften<br />

zu beteiligen, verspürt Thaël für einen kurzen Moment die Versuchung, entweder den<br />

Vorschlag anzunehmen oder Garin in die Fluten zu stürzen und den Mord – und damit das<br />

Ende des Romans – vorwegzunehmen. Wie durch ein Zeitfenster scheint im Wirbel der<br />

Ausgang der Geschichte kurz auf.<br />

Nach dem Tod Garins im Meer und dem Wahlsieg der Volkspartei trennt sich die<br />

Gruppe. Viele beschließen, die Insel zu verlassen. Thaël plant, mit Valérie zurück in die<br />

Berge zu gehen. Bevor er die Rückreise antritt, bremst er die Handlung, die er anfangs durch<br />

seine Drehbewegung auslöste, durch ein erneutes Herumwirbeln ab:<br />

Thaël fait le toboggan sur la jambe gauche (Margarita, clôture, fontaine, rue,<br />

arbres, rue, arbres, rue, arbres, maisons, Margarita, clôture), il court, il saute. Au<br />

moment de tourner dans la rue qui mène vers la place, il me crie: ‚N’oublie pas,<br />

n’oublie pas.’ (Lézarde 232)<br />

Die zweimalige Erwähnung der „clôture“ setzt dem Roman ein Ende. Wie sich am Beginn des<br />

Romans durch den Wirbel das Land für Thaël öffnete, schließt sich der Zugang jetzt wieder.<br />

Es folgt nur noch ein Abgesang, in dem der Roman wieder an seinen Ursprungsort in den<br />

Bergen zurückkehrt. Dass die Geschichte an ihrem Ende angelangt ist, macht Valéries<br />

grausamer Tod allzu deutlich. Noch bevor sie Thaëls Haus erreicht, wird sie von dessen<br />

Hunden zerfleischt. Damit ist die Liebesgeschichte der beiden beendet, bevor sie überhaupt<br />

begonnen hat.<br />

6.2 Rivière, peuple, voix: Fluss und Textfluss<br />

Mit der geistigen Einverleibung des Naturraums ist die politische Forderung verbunden, den<br />

Raum auch konkret – „tout cru“ (Lézarde 53) – zu besitzen: „Que manque-t-il à la mer, à la<br />

Lézarde, et à nous tous, pour que la boucle soit achevée?... Que la terre soit à ceux qui la<br />

travaillent! Quand tu vois ça, tu comprends la Lézarde.“ (Lézarde 131). Mathieu, Mycéa und<br />

ihre Freunde engagieren sich daher tatkräftig im Wahlkampf, der die ersten freien Wahlen<br />

nach Ende des Zweiten Weltkrieges einleitet. Die Kenntnisnahme vom Naturraum soll<br />

parallel zur Selbsterkenntnis und Bewusstwerdung des Volkes verlaufen: „Histoire de la terre<br />

qui s’éveille et s’elargit. Voici la fécondation mystérieuse, la douleur nue. Mais peut-on<br />

nommer la terre, avant que l’homme qui l’habite se soit levé?...“ (Lézarde 20). Wichtig ist<br />

dabei die Neubewertung der Landschaft 13 , die mit einem von kolonialen Einflüssen<br />

13 So bewertet Glissant beispielsweise die Palmenstrände neu. Er versteht sie nicht als touristische Attraktion,<br />

sondern stellt die Überlebensfähigkeit und Stärke der Palmen in den Vordergrund: „Le long des sables, les

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