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Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg

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Edouard Glissant: hagiographe des sites 150<br />

entwurzelt. 24 Im Morast, „où s’enfouissent les antans mais où demain jamais ne lève“<br />

(Malemort 194), sind die Spuren des ersten „Négateur“ seit langem verschwunden. Dlan<br />

Médellus Silacier – „maillons têtus à former nœud“ (Malemort 47) – verlieren sich in der<br />

diffusen Landschaft.<br />

Mit Malemort schließt Glissant thematisch und zeitlich an seine beiden ersten Romane<br />

an. Zum dritten Mal ist die Rede von der Urszene zwischen Longoué und Béluse, zum dritten<br />

Mal wird Thaëls Lauf entlang des Flusses erwähnt. Der Zustand der von Umweltzerstörung<br />

und Entfremdung geprägten Insel, der schon in La Lézarde und Le quatrième siècle<br />

angesprochen wurde, wird erneut zum Thema gemacht. Trotz der wiederkehrenden<br />

thematischen Variationen ist Malemort keine Wiederholung des schon Dagewesenen. Glissant<br />

umkreist vielmehr dieselben Themen auf immer neuen formalen Wegen und hält in Bezug auf<br />

Erzählhaltung und Sprache bedeutende Innovationen parat, die für die gesamte frankophone<br />

Literatur der Antillen wegweisend geworden sind. Ließ Glissant bisher die Geschehnisse<br />

hauptsächlich aus der Perspektive der jungen Intellektuellen erzählen, so erteilt er mit Dlan<br />

Médellus Silacier dem einfachen Volk das Wort und begibt sich auf die Suche nach deren<br />

Ausdrucksweise: „Peut-être (quand il s’agit de crier une telle mort) renoncer à la fulguration<br />

et à l’extase de cette langue? Peut-être avec Dlan Médellus Silacier fouiller l’ingrat langage à<br />

venir?“ (Malemort 162). Er tut dies jedoch in völlig anderer Weise als beispielsweise Zobel<br />

oder Roumain. Seine Protagonisten aus dem Volk sind keine sozialistischen Sprachrohre, die<br />

sich in einfacher, manchmal naiver, aber immer klarer Weise zu den Belangen des Volkes<br />

ausdrücken, sondern Menschen, deren Sprechen einem Stottern ähnelt. Ihre Rede ist<br />

unterbrochen, wirr und suchend. Sie umkreisen die Themen ihrer Existenz – wie auch<br />

Glissant die Stätten der Romanhandlung immer neu bereist –, ohne aber dem Zentrum, der<br />

klaren Aussage, näher zu kommen. In der Mitte bleibt das Loch, die an Wahnsinn grenzende<br />

Leere, in die Silacier am Ende des Romans alle Dinge verschwinden sieht: „Il n’y eut plus<br />

qu’un trou devant lui. Un trou blanc où tout se perdait. Il vit les jours passés tomber dans le<br />

trou. Ils disparurent. Il vit tomber il ne savait quoi, qui disparut. Il n’y pensa plus.“ (Malemort<br />

231f).<br />

Glissants Sprache geht in Malemort ähnliche Wege wie Dlan Médellus Silacier, die<br />

irrend durch den Wald laufen auf der Suche nach Beautemps, ihrem „sud de refus“ (Malemort<br />

44). Glissant wiederholt damit das Modell der Windrose, das er schon in La Lézarde dem<br />

Fortbewegungsmodus seiner Protagonisten zugrunde gelegt hatte. Verliefen damals die Wege<br />

aber klar in nördlicher, südlicher, östlicher oder westlicher Richtung, so ist nun die<br />

24 Cf. Malemort 218.

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