Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg
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Die Natur der Antillen im Spiegel der Kolonialliteratur 45<br />
Rapa-Nui ornaient ces tombeaux de statues gigantesques au masque horrible; les<br />
Tahitiens y plantaient seulement des bouquets d’arbres de fer. L’arbre de fer est le<br />
cyprès de là-bas, son feuillage est triste; le vent de la mer a un sifflement<br />
particulier en passant dans ses branches rigides… Ces tumulus restés blancs,<br />
malgré les années, de la blancheur du corail, et surmontés de grands arbres noirs,<br />
évoquent les souvenirs de la terrible religion du passé; c’étaient aussi les autels où<br />
les victimes humaines étaient immolées à la mémoire des morts. (Loti 90f)<br />
Vertreten ist das Motiv der Einsamkeit, und zwar im direkten Bezug auf die Landschaft. Der<br />
Zustand und die Stimmung des Naturerlebenden wird direkt auf die Natur übertragen, d. h. sie<br />
wird psychologisiert. Auch die Trauer um das Vergangene ist in den Grabstätten der<br />
Stammesoberhäupter präsent. Das sentimentalische Wissen um die Weite der Welt einerseits<br />
und andererseits um den Glanz früherer, verlorener Zeiten, das Trauern um die eigene<br />
Vergänglichkeit sowie die Präsenz des Todes, materialisiert im Totenbaum „arbre de fer“,<br />
spiegeln sich in der Färbung der Landschaft wider: Gräber, Strand und Blätter, in ihrer<br />
Darstellung mit dem Inneren des Betrachtenden verschmelzend, ergeben zusammen ein<br />
schwarz-weißes Bild.<br />
Insgesamt betrachtet variiert der Roman die Attribute, mit denen die melancholische<br />
Landschaft versehen wird, nur geringfügig. In großer Häufung werden besonders gegen Ende<br />
der Narration Elemente und direkt aus der Psyche des Betrachters abgeleitete Nomina<br />
aneinandergereiht, die als Erzeuger einer melancholischen Stimmung fungieren und in ihrer<br />
Darstellung mit intensivierenden Adjektiven versehen werden: Schwarze Schmetterlinge, die<br />
ihre Flügel an Kerzen verbrennen (Loti 41), das Fallen zu reifer Früchte (Loti 61), der Tod des<br />
einzigen, importierten Vogels der Insel (Loti 143), das beängstigende Geraschel blauer Krebse<br />
im Laub (Loti 96), Fledermäuse (Loti 255), „feuilles mortes“ (Loti 155, 242), trockene<br />
Bäume, Farblosigkeit, Bewegungslosigkeit, Zeitlosigkeit, Isolierung, Schwere und<br />
Dunkelheit, Nacht, monotone Geräusche, unwirkliche Stille, die Präsenz von geisterhaften<br />
Gestalten in den Wäldern (Loti 255).<br />
Der Tod nimmt in der Landschaftsdarstellung einen zentralen Platz ein. Die<br />
Beschreibung fokussiert anfangs den lieblich-bittersüßen Ort der ersten Liebesabenteuer,<br />
entwickelt sich dann eingedenk der baldigen Trennung zum traurigen und schließlich zum<br />
toten, lebensfeindlichen Ort – „on dirait que ce pays est mort“ (Loti 225) –, zum schrecklichen<br />
Naturschauplatz der aufgebahrten Rarahu:<br />
Alors un grand souffle terrible passa dans l’atmosphère, et je perçus confusément<br />
des choses horribles: les grands cocotiers se tordant sous l’effort de brises<br />
mystérieuses, – des spectres tatoués accroupis à leur ombre, – les cimetières<br />
maoris et la terre de là-bas qui rougit les ossements, – d’étranges bruits de la mer<br />
et du corail, les crabes bleus, amis des cadavres, grouillant dans l’obscurité, – et<br />
au milieu d’eux, Rarahu étendue […]. (Loti 312f)