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Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg

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Eine Romanwelt der Gegensätze: Gisèle Pineau 214<br />

Zwillings und Gertys Wahnsinn untergrüben insofern den Fruchtbarkeitstopos des Gartens.<br />

Casteels Beobachtung erscheint zwar zunächst schlüssig und auch auf L’espérance-macadam<br />

übertragbar, wo Eliette ebenfalls unter ihrer Unfruchtbarkeit leidet, sie übersieht jedoch, dass<br />

die Fruchtlosigkeit den Garten selbst in gleichem Maße betrifft. Auch die Früchte des Gartens<br />

werden krank, als Léonce von seinen Depressionen übermannt wird. Das Missraten der<br />

Kinder ist demnach kein Gegenpol zum blühenden Garten, sondern findet im Garten selbst<br />

sein Pendant. Insofern ist Fruchtbarkeit kein unbedingtes Kennzeichen des Gartenmotivs, das<br />

genauso wie die Romanfiguren ständigen Veränderungen unterworfen ist, sondern nur ein<br />

möglicher Zustand unter anderen.<br />

8.4 Auf der utopischen Suche nach der Essenz<br />

Casteel zufolge halte Pineau am Topos der Gartenlandschaft fest, um dem Roman einen<br />

starken Ortsbezug zu bewahren, während sie gleichzeitig das Konzept von Land und<br />

Landschaft als essentiellem Moment der Identität verneine:<br />

Both authors [Pineau and Mootoo] retain pastoral imagery despite the problematic<br />

history of its usage because it allows them to challenge an essentialist reading of<br />

land and identity that they find inadequate, and at the same time ensures that their<br />

writing retains a strong connection to place. 14<br />

In Pineaus Romanen finden sich tatsächlich immer wieder Passagen, in denen es um die<br />

Suche nach einer Essenz geht, die die Romanfiguren festhalten und konservieren wollen.<br />

Einige der Romanfiguren opfern gar ihr Leben für den Versuch, dem einen und einzig wahren<br />

Wesen der Dinge auf die Spur zu kommen. Für Pineaus Verwendung dieses Motivs, das im<br />

Folgenden näher untersucht wird, ist typisch, dass die Suche nach der Essenz der Dinge meist<br />

zum Scheitern verurteilt ist. Gelingt es den Romanfiguren jedoch, dem Wesen der Dinge auf<br />

die Spur zu kommen, es zu fassen und zu konservieren, so werden sie durch ihren Erfolg zum<br />

Tode verurteilt. Das Projekt der Suche nach dem Einen, nach der Unizität, wird so als<br />

vergeblich entlarvt.<br />

Dieser Grundtenor der Romane rückt Pineau in den Bereich der postkolonialen<br />

Literatur, die die Konzepte der Unizität und der Reduktion der Welt auf das Eine ablehnt. Im<br />

Unterschied zu Autoren wie Maximin, Glissant oder Chamoiseau, die in ihren Texten die<br />

plurale Ordnung der Welt und der Identität postulieren, bestätigt Pineau das Konzept der<br />

Diversität nur in negativer Form. Diejenigen ihrer Romanfiguren, die nach Unizität suchen,<br />

lässt sie scheitern und legt auf diese Art offen, dass das Streben nach Essenz nicht<br />

zukunftsträchtig ist, sondern der Vergangenheit angehört. Pineaus Festhalten an der<br />

14 Ibid. 24.

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