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Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg

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Joseph Zobel, back to the roots oder back to colonialism? 55<br />

canot, et la mer, et le pays entier.“ (Jours 110f). Derartiger Größenwahn entspricht, wie wir<br />

gesehen haben, der typisch panoptischen Sichtweise der Kolonialliteratur, die die Natur schon<br />

beim Betrachten zu bändigen und beherrschen versucht. Die Frau erscheint nicht in großen,<br />

herrschenden Posen wie der Mann. Sie wird in einer ganz anderen Körperhaltung in Szene<br />

gesetzt, nämlich „[a]ccroupie à terre“ (Diab’là 131). Meist ist sie, vergleichbar mit der<br />

exotischen Natur, lediglich Dekor: Nachdem sie den die Weltpolitik diskutierenden Männern<br />

einen Punsch serviert hat, zieht sie sich dezent zurück (Diab’là 126), ohne je das Wort zu<br />

ergreifen.<br />

Ohne Zweifel verfolgt Zobel die Absicht, im Anschluss an den<br />

Bewusstwerdungsprozess der Schwarzen das afrikanische Erbe aufzuwerten und ihm einen<br />

Platz in der antillanischen Erzählliteratur zu verschaffen. Dennoch gelingt es ihm nicht, den<br />

patriarchalen Sprachgestus der Kolonialliteratur abzustreifen und sich der romantischexotistischen<br />

Klischees, mit denen die europäische Literatur die Kolonien der Neuen Welt<br />

besetzt hielt, zu entledigen. Lediglich in der Einleitung des Erzählers von Diab’là wird ein<br />

ironischer Unterton laut, der die romantisch-verklärende Sprache des Romans entlarvt und<br />

unterläuft. Der Erzähler schildert, er habe einmal einem Kreis von Zuhörern zwei Geschichten<br />

erzählt, eine „wahre“, „comme un mauvais poème où nègres, canne, sueur, misère, colère,<br />

rimaient affreusement“, und eine erfundene: „une […] histoire imaginée de soleil, liberté,<br />

amour, joie. C’était peut-être assez bête, au fond!“ (Diab’là 11). Die Zuhörer sind von der<br />

zweiten Geschichte begeistert und fordern den Erzähler auf, diese Geschichte aufzuschreiben.<br />

Zobel ist sich also des verklärenden Charakters der zweiten Geschichte, die uns nun als<br />

Roman vorliegt, durchaus bewusst. Indem er sie als positives Gegenstück zu einer anderen<br />

Geschichte entwirft, in der das reale Elend der schwarzen Bevölkerung thematisiert wird,<br />

muss diese andere schreckliche Geschichte als negative Hintergrundfolie beim Lesen des<br />

Romans immer schon mitgedacht werden. Sie relativiert und überschattet das allzu süße Bild,<br />

das Zobel von der Insel entwirft. Trotzdem stellt sich die Frage, warum Zobel den Erzähler,<br />

wenn dieser schon von der Banalität seiner Geschichte wusste und gleichzeitig eine andere,<br />

wahre Geschichte vor Augen hatte, denn nicht die wahre Geschichte erzählen lässt. Die wahre<br />

Geschichte wäre Zobels Erzählintention möglicherweise näher gekommen.

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